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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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bestimmten Plan bei diesem Treffen verfolgte, aber Connie verfolgte auch einen.
    «Ich habe Simon gesagt, dass er auf jeden Fall zurück an die Uni geht.» Veronica klang entschlossen. «Natürlich möchte er in Hannahs Nähe bleiben, aber er hat ja auch noch sein eigenes Leben. Du liebe Güte, sie hat schließlich noch einen Vater. Ich weiß ja, dass die beiden nie besonders gut miteinander ausgekommen sind, aber er könnte schon mal etwas Verantwortung übernehmen.» Kurze Pause. «Finden Sie nicht auch?» Die Frage kam heftig und etwas unerwartet heraus.
    «Hannah will wahrscheinlich in Barnard Bridge bleiben, bis sie das Abitur gemacht hat.» Connie wollte Veronica nicht brüskieren, jetzt, wo sie diese neue Eintracht erreicht hatten, doch sie fand Simons Loyalität eher bewundernswert. Sie war sich nicht sicher, ob sie, sollte ihr jemals etwas zustoßen, wollte, dass Alice ihrem Exmann anvertraut würde. Wie sollte ihre Tochter sich denn in seiner neuen Familie zurechtfinden?
    «Ja, scheint so. Und dann, mit Verlaub, wird sie bei Simon in Durham einziehen. Wir haben ihm da eine kleine Wohnung gekauft, ein Schnäppchen, wenn man sich den Immobilienmarkt so anschaut, und als Geldanlage. Durham ist sehr beliebt. Aber wenn uns klar gewesen wäre, wohin das führt, hätten wir es nicht getan.»
    Alice war ein Stückchen den Bach hinaufgewatet. Obwohl der Fluss dahinter stark angeschwollen war, war das Wasser im Bach immer noch seicht und bedeckte kaum die Sohlen ihrer Gummistiefel, aber Connie rief ihr trotzdem hinterher, froh, Veronica dadurch nicht antworten zu müssen. «Pass auf! Wir wollen doch nicht, dass du ausrutschst und nass wirst.»
    Da blickte Veronica auf, offenbar von ihren eigenen Sorgen abgelenkt. «O ja, Liebes, komm her und spiel hier bei uns. Das sieht mir ziemlich gefährlich aus da drüben.»
    «Das ist schon in Ordnung», sagte Connie schroff. Veronica hatte ihren Sohn wahrscheinlich viel zu sehr behütet, dachte sie. Und davon abgesehen, welches Recht besaß die Frau, sich hier einzumischen?
    Alice hatte in der Böschung einen Stock gefunden und stocherte damit jetzt am anderen Ufer des Baches im Unkraut herum. Dort stand der Bärenklau in riesigen Dolden, die höher aufragten als das Mädchen; die filigranen Blätter und gerippten Stängel mussten ihm wie ein Wald vorkommen, aufregend und geheimnisvoll.
    «Komm zurück!», rief Veronica, sie klang beinahe schon panisch. «Ach bitte, komm doch her zu uns.»
    Alice drehte sich um und legte die Stirn in Falten, folgte der fremden Frau aber nicht.
    «Es ist wirklich in Ordnung», sagte Connie. Ihr fiel wieder ein, wie Veronica Alice angesehen hatte, als sie bei ihr zum Essen gewesen waren. «Im Ernst, ich glaube, Kinder brauchen einfach das Gefühl, Abenteuer zu erleben. Sie müssen doch lernen, mit Risiken umzugehen, finden Sie nicht?»
    «Wie können Sie so etwas nur sagen?» Veronica geriet geradezu außer sich. «Ausgerechnet Sie! Sie haben es zugelassen, dass ein Kind in Ihrer Obhut stirbt!»
    Alice musste die schrille Stimme gehört haben, auch wenn sie die Worte nicht verstanden hatte, und drehte sich nun wieder zu ihnen um. Einen Moment lang war alles still. Wasser plätscherte über Kieselsteine. In der Ferne rumpelte ein Traktor. Connie presste die Lippen aufeinander, um nichts zu sagen. Vor den Augen ihrer Tochter wollte sie nicht die Beherrschung verlieren.
    «Es tut mir leid», sagte Veronica schließlich. «Das war nicht angebracht.»
    Möglicherweise angesteckt von der Spannung zwischen den beiden Erwachsenen, ging Alice auf einmal mit dem Stock auf den Bärenklau los, sie hieb auf die Pflanzen ein und trampelte auf ihnen herum, um einen kleinen Pfad mitten durch das Unkraut zu schlagen. So weit hatte sie sich noch nie vom Cottage entfernt. Connie begann, die Tassen und Teller ineinanderzustapeln. Jetzt wollte sie bloß noch, dass Veronica ging. Sie würde sie ja doch höchstens erdulden. Die Vorstellung, aus ihnen könnten Freundinnen werden – sie, Connie, könnte in den erlauchten Kreis derer aufgenommen werden, die zu köstlichen Mahlzeiten in das große weiße Haus eingeladen wurden –, war absurd.
    «Schaut mal, was ich gefunden habe!» Alice war schon fast nicht mehr zu sehen, und ihre Stimme klang seltsam gedämpft. Connie stand auf, froh, aus Veronicas Nähe zu entkommen. Sie ging zum Wasser hinunter, die Bewegung löste die Anspannung aus ihren Muskeln. Beim Überqueren des Bachs musste sie auf einem großen, flachen

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