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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Stein balancieren, damit ihre Schuhe nicht nass wurden.
    Alice stand auf einer verwilderten Lichtung mitten im Unkraut und schaute auf den Boden. «Gefällt sie dir, Mummy? Können wir sie behalten?» Und sie bückte sich, um die zerknautschte Handtasche aus Leder aufzuheben.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Fünfundzwanzig
    Vera trommelte das ganze Team in der Einsatzzentrale zusammen, um sie über den Mord an Danny Shaw zu informieren. Joe Ashworth verstand nicht, was in sie gefahren war. Eine Wut hatte sie gepackt, die in Wellen durch ihren Körper lief. Es war, als würde sie glauben, der Junge sei erdrosselt worden, bloß um sie zu verhöhnen. Ashworth kam sie an diesem Nachmittag noch durchgedrehter vor als sonst. Sie war vor allen anderen da und tigerte am Kopfende des Raums auf und ab. Er hütete sich davor, sie anzusprechen. Schweigend wartete er, bis das Team vollzählig war.
    Als Erstes kam Charlie. Die Augen blutunterlaufen, in einer Hand einen Pappbecher mit Kaffee, in der anderen ein Gebäckstück, das in Butterbrotpapier eingewickelt war. Charlie befand sich dauerhaft am Rande einer Krise, einer schweren Depression oder eines Zusammenbruchs. Als seine Frau ihn verlassen hatte, fürchteten sie ein paar Monate lang, dass er jetzt endgültig in der Gosse landen würde. Sie hatte sich immer um die praktischen Dinge gekümmert – seine Sachen gewaschen und gebügelt, ihm Essen gekocht und hinter ihm hergeräumt, als wäre sie seine Mutter. Sie sahen nicht, wie er ohne sie zurechtkommen sollte. Aber er hatte sich durchgekämpft und war noch am Leben, und jeden Tag vollbrachte er erneut das kleine Wunder, bei der Arbeit aufzutauchen. Er hatte sogar herausbekommen, wie man die Waschmaschine bediente, und neuerdings schaffte er es auch, sich zu rasieren, bevor er aus dem Haus ging.
    Beharrlich. So hatte Vera Charlie gegenüber Joe Ashworth beschrieben. «Aus eigenem Antrieb macht er nicht viel, aber wenn man ihm klare Anweisungen gibt, braucht man ihn bloß noch aufzuziehen und dann läuft er los.»
    Holly kam zuletzt, und die Art, wie sie sich aufführte, wie sie um sich blickte, ihr selbstzufriedenes Lächeln, mit dem sie Vera um Entschuldigung bat, dass sie sie hatte warten lassen, all das signalisierte Ashworth, dass sie etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Sie würde bis zum Schluss warten und dann ihre Neuigkeit verkünden. Wie ein verdammter Zauberkünstler, der ein Kaninchen aus dem Hut zieht.
    Vera funkelte sie alle finster an. Sie schrieb Dannys Namen auf die weiße Kunststofftafel, hämmerte die Buchstaben mit dem Filzstift auf die Tafel.
    «Unser zweites Opfer. Danny Shaw. Mutter Karen, arbeitet im Fitness-Club vom Willows am Empfang. Vater Derek, Bauunternehmer, steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Danny war ihr einziges Kind. Sie haben ihn völlig verhätschelt, und mit achtzehn ist er dann von zu Hause ausgezogen, um zu studieren, und hat seine Launen an ihnen ausgelassen. Hat nicht mehr richtig mit ihnen geredet. Er wollte Anwalt werden und hatte womöglich ein Motiv für den Mord an Jenny Lister. Wenn Jenny Lister ihn tatsächlich dabei erwischt hat, wie er seine Kollegen beklaut.»
    «Glauben Sie, dass er aus Rache umgebracht worden ist?», fragte Charlie. «Weil er die Frau erdrosselt hat?»
    Vera hielt inne, wie erstarrt, den Arm noch immer zur Tafel hin ausgestreckt. Ashworth dachte: Jetzt geht sie gleich auf Charlie los, staucht ihn zusammen, wie er sich so was Dämliches ausdenken kann. Auch eine Art, den aufgestauten Druck abzulassen. Doch stattdessen nickte sie. «Daran hatte ich zwar nicht gedacht, aber es lohnt sich, die Idee mal durchzuspielen. Wem hat so viel an Lister gelegen, dass er deshalb morden würde?»
    «Ihrer Tochter», rief Holly aus der hinteren Reihe.
    «Oder dem Freund ihrer Tochter», sagte Vera. «Einfach nur, weil er in das Mädchen verliebt ist. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass er einen Mord begeht, wenn sie ihn darum bittet. Ihn dürfen wir nicht vergessen.»
    «Woher sollte Hannah Shaw denn kennen?» Ashworth hielt ja viel vom Brainstorming, aber das hier war verrückt, die reinste Märchenstunde.
    «Sind die zwei denn nicht auf die gleiche Schule gegangen? Sie sind bloß ein Jahr auseinander. Wir wissen, dass Simon auf so eine piekfeine Schule in der Stadt gegangen ist, aber Danny und Hannah haben beide die High School in Hexham besucht. Wir sollten bei den Lehrern nachfragen, und bei den anderen Schülern. Noch eine Verbindung zwischen den Shaws und

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