Seelentraeume
während die Bevölkerung mit jedem aus Louisiana über die Grenze Abgeschobenen anwächst.«
»Hört sich schrecklich an«, sagte Charlotte ehrlich.
»Das Moor ist auf eine gewisse ursprüngliche Weise schön. Morgens, wenn über dem Wasser der Nebel aufsteigt und die riesigen Alligatoren singen, wirken die Sümpfe fast wie von einer anderen Welt. Meine Familie … war besser dran als die meisten. Wir waren viele, besaßen Land und standen in dem Ruf, hart und schnell zurückzuschlagen.«
Das glaubte sie gerne. Ein ganzer Clan von Schwertkämpfern wie ihm würde jedem zu denken geben. »Und Ihre Frau?«
»War im Moor geboren, Tochter eines Verbannten aus dem Herzogtum Louisiana und einer Einheimischen.« Er kam näher. »Sehen Sie, unsere Familie hatte Vernard, einen Exilierten von feinster Abstammung. Seine komplette Familie war mit ihm ins Moor verbannt worden, und mein Onkel hat seine Tochter geheiratet. Unsere Ausbildung lag in Vernards Händen, und ich war sein bester Schüler.«
Das war’s also. Richard hatte wie sie die Erziehung durch einen blaublütigen Reichsebenbürtigen genossen. Deshalb waren seine Manieren und seine Haltung so geschliffen. Das Leben im Moor musste für Richard eine Zumutung gewesen sein. Genau zu wissen, dass es einen besseren, aber unerreichbaren Ort gab.
»Ich war anders als die meisten Männer im Moor, und das gefiel Marissa. Sie war mit den Geschichten ihres Vaters über Herrenhäuser und Bälle aufgewachsen, und ich entsprach dem so sehr, wie es im Sumpf überhaupt nur ging. Sie war wunderschön und ich ein Blinder, der zum ersten Mal die Sonne sah.« Ein ätzendes Grinsen teilte seine Lippen. »Kaldar legt nie eine Pause ein, um über die Konsequenzen seiner Taten nachzudenken. Etwas macht Spaß oder nicht, und die Vorstellung meines Bruders von Spaß führt ihn häufig an interessante Orte, zum Beispiel ins Gefängnis oder auf Burgen, die kalifornischen Räuberbaronen gehören. Wo andere dem sicheren Tod ins Auge blicken, sieht mein Bruder die Gelegenheit für ein fröhliches, aufregendes Abenteuer. Aber als ich mich tätowieren ließ, hat Kaldar mich davor gewarnt, sie zu heiraten.«
»Wow.«
»Das hätte mir zu denken geben sollen, hat es aber nicht. Ich habe sie geheiratet. Sie wollte ein sauberes Haus, ohne den Dreck aus den Sümpfen, ich habe es ihr gegeben. Sie wollte Kleider aus dem Weird. Wann immer ich einen Schmuggler fand, habe ich welche für sie gekauft.«
»Und was lief schief?« Obwohl es ihr nicht anstand, so neugierig zu sein, konnte sie sich nicht beherrschen.
»Ihre Großmutter starb.«
»War das sehr schlimm für sie?« Manchmal verursachte der Tod eines Familienmitglieds im Leben eine unumkehrbare Veränderung. Sie selbst war dafür das beste Beispiel.
»Nein. Marissas Großvater war schon früher verstorben, sodass ihre Großmutter ihr die gesamten Ersparnisse vermachte. Die Summe genügte, um das Moor verlassen und ins Broken einreisen, falsche Papiere kaufen und dort ein neues Leben anfangen zu können.«
Charlotte prallte zurück. »Aber Sie konnten nicht mit.«
Richard nickte. Sein Lächeln und sein Blick waren von einem alten Leid überschattet. Sie verspürte den Drang, ihn in den Arm zu nehmen und ihn zu küssen, bis der Schatten verschwand.
»Sie wartete, bis ich im Auftrag der Familie draußen im Moor war, dann ging sie fort. Als ich zurückkam, fand ich auf dem Küchentisch eine Nachricht und ein Sammelsurium meiner Geschenke. Schmuck, Bücher, den Hochzeitsring. Sie hat nichts mitgenommen, das sie an mich oder das Haus erinnern würde. In der Nachricht stand, ich sei ihr ein guter Ehemann gewesen, aber nun böte sich ihr ein Ausweg aus dem Moor, den sie unmöglich ausschlagen könne.«
Sie hatte ihn verlassen? Sie hatte diesen Mann verlassen? Unglaublich. Charlotte schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie hätte alles dafür gegeben, von Richard Blumen zu bekommen.
»Sind Sie ihr gefolgt?«
»Dazu hatte ich keinen Grund. Sie hatte mir klargemacht, dass sie mich nicht wollte, und ich besaß noch einen Rest Stolz. Ich habe mich betrunken. Und dann irgendwann ihren Namen ausgebrannt. Ich weiß noch, wie ich’s gemacht habe, aber nicht mehr, wann. Ich war ziemlich lange betrunken.«
»Haben Sie jemals herausgefunden, was aus ihr geworden ist?«
»Ja. Kaldar ist ihr während einer seiner Ausflüge nach Louisiana begegnet. Sie ist mit einem Ladenbesitzer verheiratet, der Kunstteiche und Zierbrunnen verkauft und hilft in dem
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