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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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gemordet. Und Brennan besaß sämtliche Vorteile. Ihm standen alle Türen offen.
    »Warum? Warum macht er das? Als würde ein Millionär Bettler ausrauben.«
    »Wer weiß«, sagte Charlotte. »Vielleicht wegen des Kicks, etwas Verbotenes zu tun.«
    Sie klang erschöpft. Sorge überkam ihn. Er musste sie und den Jungen von hier wegbringen.
    Richard schnitt ein Stück des Gazevorhangs ab, stapelte die Bücher darauf und band das Ganze zu einem improvisierten Beutel zusammen. Stehlen war kriminell. Aber hier ging es um einen Frevel. Umso mehr, da Brennan – privilegiert, wie er war – Verantwortung trug. Er war dazu verpflichtet, seinen Einfluss zum Wohle des Königreiches einzusetzen, stattdessen spuckte er darauf. Welche Entartung Brennan auch dazu bewogen haben mochte, den Sklavenhandel zu organisieren, Richard würde dafür sorgen, dass er zur Rechenschaft gezogen wurde. So sicher wie das Amen in der Kirche. Er hatte es Sophie versprochen, und er würde sein Versprechen halten.
    Richard steckte sein Schwert in die Scheide und gab Jack die Bücher. »Die sind wichtig. Pass gut darauf auf.«
    Der Junge nickte.
    Richard bot Charlotte die rechte Hand an. Ein wenig schwankend erhob sie sich aus dem Sessel. Dann gingen sie nach unten und zur Vordertür hinaus. Unter ihnen erstreckte sich bis zum Hafen die Stadt. An mehreren Stellen loderten orangerote Flammen und verschlangen Gebäude. Hier und da krachten einzelne von Schreien gefolgte Schüsse. Im Zentrum des Hafens wartete ein einzelnes Schiff, wie ein eleganter Vogel auf einem Meer aus schwarzem Glas, und über allem stand ein bleicher Mond am Nachthimmel und ergoss sein gleichgültiges Licht über die Szenerie.
    Richard wandte sich nach links hinter das Haus. Das Pferd wartete immer noch. Er band die Zügel los und führte das Tier zu Charlotte.
    »Ich kann gehen.«
    »Charlotte.« Er hatte nicht beabsichtigt, seine gesamte Frustration in dieses Wort zu legen, aber irgendwie tat er es doch.
    Sie blinzelte bestürzt.
    »Steigen Sie auf das Pferd. Bitte.«
    Sie kletterte in den Sattel. Er nahm die Zügel und machte sich auf den Weg. Jack ging neben ihm, während der Hund die Vorhut übernahm. Richards Gesicht juckte gnadenlos. Sobald sie die Küste erreichten, musste er die klebrige Maskerade entfernen.
    »George war die ganze Zeit mit Dad allein«, sagte Jack.
    Das war viel verlangt, doch er vertraute George, und der Junge wollte sich beweisen. »Der packt das schon.«
    »Wirst du unseren Vater töten?«, fragte der Junge leise.
    »Das Schicksal eures Vaters liegt nicht in meiner Hand.« John Drayton hatte den Tod verdient, und hätte es die Verbindung zu den Jungs nicht gegeben, hätte er sich des Mannes wie Unrat entledigt, der er war. Doch die Familie ging vor, und der Anspruch der Kinder wog schwerer als seiner.
    »Wenn du ihn uns überlässt, sieh zu, dass George es nicht macht«, sagte Jack. »Ich bringe ihn um. Für Großmutter, das macht mir nichts aus. Ich kann mich nicht mal an ihn erinnern, während George all die Jahre auf ihn gewartet hat.«
    Da hieß es immer, Gestaltwandler hätten keinen Sinn für menschliche Gefühle. Dabei verstanden sie sehr gut, dachte Richard, sie konnten nur nicht begreifen, warum andere verbargen, was sie wirklich empfanden. Jack wollte seinen Bruder schonen. Nicht mal im Moor, wo Verrat und Vergeltung Familienangelegenheiten waren, wurde von einem Kind erwartet, den eigenen Vater umzubringen.
    Der Junge, nein, der junge Mann sah ihn an.
    »Keine Sorge«, teilte er Jack mit. »Diese Last muss sich keiner von euch beiden aufbürden.«

9
    »Du siehst gut aus«, sagte John Drayton von der anderen Seite der Kajüte. »Stramm. Ausgewachsen. Ich weiß noch, wie kränklich du warst. Dauernd hast du Tiere aufgepäppelt, weil du sie nicht sterben sehen wolltest. Aber ich nehme an, darüber bist du weg.«
    George musterte den Mann vor ihm. Jetzt kam es darauf an, seiner Wut einen Riegel vorzuschieben und ihn wie jeden beliebigen Gegner zu bewerten. Die Jahre hatten John herumgestoßen, doch er war bei bester Gesundheit. Offenbar aß er gut, denn er hatte ein paar Pfund zugelegt. In der Kajüte hing der würzige Duft seines Parfums. Er trug gut geschnittene Kleidung aus ordentlichem Material. Sein professioneller Haarschnitt schmeichelte seinem Gesicht. John Drayton war eitel und gab offenbar gerne Geld für sein Äußeres aus.
    George hatte ihn groß in Erinnerung, als voluminösen Schatten und als lustigen Gesellen, der gerne

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