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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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sie finden, sonst war alles umsonst.«
    »Habt ihr im Safe nachgesehen?«
    »Welcher Safe?« Es gab keinen Safe in diesem Raum, nur den Schreibtisch und die Bücherregale, und Richard hatte alle sichtbaren Wände auf Hohlräume abgeklopft.
    »Im Kamin.«
    Richard wandte sich dem Kamin zu. Ein für das Weird typischer Kalksteinkamin ohne Kaminsims. Kein Feuer brannte darin, die Feuerstelle war makellos sauber. Keine Rußspuren. Der Kamin war ganz sicher nicht benutzt worden, mochte so weit im Süden jedoch als Dekoration durchgehen. Richard ging hin und fuhr mit einer Hand prüfend über die Steine. »Wie kommst du darauf, dass dort ein Safe drin ist?«
    Jack setzte sich neben Charlotte auf den Boden. »Weil da kein Rauchabzug ist. Und der Kamin riecht nach dem Parfum der toten Frau – das rieche ich von hier. Außerdem ist da ein Türstopper.«
    »Wo?«, fragte Charlotte, während sie Dreckklumpen aus Jacks Haaren pflückte.
    Jack deutete auf den Boden. Neben dem Schreibtisch lag ein kleines, verziertes Objekt, das man unter Türen schieben konnte. Wenn sich die Vorderseite des Kamins wie eine Tür öffnen ließ, lag es in Griffweite, um rasch daruntergeklemmt zu werden.
    Richard klopfte gegen die Steine. Falls es irgendeinen Mechanismus gab, konnte er ihn nicht erkennen. Er griff nach seinem Schwert.
    »Vielleicht gibt es einen verborgenen Schalter«, sagte Charlotte.
    »Das dauert zu lange.« Richard konzentrierte sich, speiste Magie in die Klinge und lenkte sie in die Schwertspitze. Die in Energie gehüllte Schneide leuchtete immer heller, bis sie funkelte wie ein kleiner Stern. Richard hob sein Schwert und schob die Spitze vorsichtig in den Kalkstein. Die Klinge bohrte sich in den Kamin, drang verblüffend leicht in den Stein ein. Nicht weiter als ein, zwei Zentimeter, entschied er. Wenn es einen Safe gab, wollte er den Inhalt nicht beschädigen. Er ließ sich auf ein Knie sinken, führte die Klinge quer über den Kamin, erhob sich und tat dasselbe auf Augenhöhe.
    Die Vorderseite des Kamins verschob sich ein, zwei Zentimeter. Richard trat zurück. Der ausgeschnittene Teil löste sich, krachte zu Boden und ließ seine Rückseite erkennen: dünn mit Kalkstein beschichtete Holzbretter. Und im Inneren des ausgeweideten Kamins Regale, darin fünf schwarze Bücher und ein rotes.
    Richard wandte sich Jack zu. »Gut gemacht.«
    »Du bist ein Genie.« Charlotte drückte den Jungen.
    Richard nahm die Bücher und trug sie zu Charlotte. Seine Hände zitterten.
    Charlotte schlug das erste schwarze Buch auf und begann mit großen Augen zu lesen.
    Richard blätterte derweil in dem roten Band und betrachtete prüfend die mit säuberlichen Buchungen bedeckten Seiten. Ein- und Ausgänge von und an fünf Namen. Da waren sie, schwarz auf weiß, die Leute, die unmittelbar vom Menschenhandel profitierten. Lord Casside, ein reicher Blaublütiger, der sein Geld im Import-Export-Geschäft verdiente. Er war ihm mal während eines Geschäftsessens in Declans Haus begegnet. Lady Ermine. Er hatte keine Ahnung, wer sie war, würde es jedoch leicht herausfinden. Baron Rene, ebenfalls unbekannt, Lord Maedoc, ein General im Ruhestand und hoch dekorierter Kriegsheld. Und …
    »Viscount Robert Brennan.«
    »Der Vetter des Königs?«, fragte Charlotte.
    Richard nickte. Dann stimmte es also. Die Buchhalterin hatte wirklich dem Speer gedient. Robert Brennan, die Nummer sieben in der Reihe der Thronfolger. Richard hatte im Leben nicht mit einer solchen Fallhöhe gerechnet.
    »Sie sind schockiert«, bemerkte Charlotte.
    »Ich verstehe das nicht.« Richard lehnte sich an den Schreibtisch. »Er kam schon im Seidenhemd zur Welt. Sein Leben verhieß ihm Reichtum, Status, die Privilegien seines Stammbaums, die beste Erziehung, die für Geld zu haben ist …«
    Also alles, was Richard vorenthalten worden war. Und Bildung war ein zweischneidiges Schwert: Sie erweiterte seinen Horizont und machte ihm zugleich schmerzhaft die Chancen bewusst, die ihm immer verwehrt bleiben würden. Es hatte eine Zeit gegeben, zu der er sich im Moor wie ein Gefangener gefühlt hatte und sich der Welt außerhalb des Edge bewusst gewesen war, ohne sie jemals erreichen zu können, weil er bis zum Hals im Sumpf festsaß. Er hatte weder die Herkunft noch das Geld oder die Möglichkeiten, die Truppen von Louisiana an der Grenze zum Edge zu überwinden, verfügte aber über den Intellekt und die Bildung, um die Aussichtslosigkeit seiner Lage zu begreifen. Er hätte für einen Ausweg

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