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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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beträchtliche Beschleunigung mit auf den Weg, so daß ich wie aus der Kanone geschossen vor dem C. B. landete. Er stand in der offenen Tür zum roten Zimmer.
    »Komm doch mal für einen Augenblick zu mir herein, Bürschchen«, sagte er und sah mich mit einem Blick an, daß es mir kalt über den Rücken lief.
    »Gott, stellt sich der Junge dämlich an«, sagte meine Mutter wie zur Entschuldigung, »sonst ist er frech wie Oskar...!« Aber da hatte mich der C. B. auch schon ins Zimmer gezogen und die Tür hinter uns zugemacht. Das erste, was ich sah, war mein Brief. Er lag auf dem blanken Mahagonitisch und war so sauber auseinandergefaltet, als hätte er unterm Bügeleisen gelegen.
    »So, so, mein lieber unbekannter Freund«, sagte der C. B. und grinste mich für einen Augenblick aus zusammengekniffenen Augen an. Und weil alles Schwindeln jetzt keinen Zweck mehr hatte und ich ihm nicht den Triumph gönnen wollte, daß er sich wunder wie schlau vorkam, weil er herausbekommen hatte, wer der Briefschreiber war, sagte ich sogleich: »Sie brauchen nicht erst lange zu fragen. Jawohl, ich bin es gewesen, der Ihnen den Brief geschrieben hat. Und natürlich mußten Sie das mit Leichtigkeit herausfinden, weil ich so restlos dämlich war, ihn an C. B. Johnen zu richten.«
    Er sah mich eine Weile lang stumm von oben herab an. Wahrscheinlich war es meine Frechheit, die ihn sprachlos machte. Dann kratzte er sich mit der Spitze seines nikotingelben Zeigefingers die Nase und fragte mich, wie alt ich sei.
    »Grad sechzehn geworden«, antwortete ich.
    »Hm...« machte er nur und nickte. Schließlich deutete er auf einen Stuhl und sagte, ich solle mich setzen. Es war aber nur einer frei, alle anderen waren mit Büchern und Zeitschriften bepackt, und so viel Anstand hatte ich ja, daß ich mich nicht auf den einzigen freien Stuhl pflanzte.
    »Los, los!« befahl er. »Genier dich nicht und setz dich hin!« Dabei hockte er sich auf die Tischkante und rückte den Stuhl zu sich heran.
    »Rauchst du?« fragte er mich und bot mir von seinen Zigaretten an, aber ich sagte, daß ich noch nicht rauche und auch nicht die Absicht hätte, es mir anzugewöhnen.
    »Da sparst du viel Geld«, sagte er, »oder muß man dich schon mit >Sie< anreden?«
    »Das können Sie halten wie ’n Dachdecker«, antwortete ich ihm trotzig, denn die Wut, die ich auf ihn hatte wegen der Art, wie er Fräulein Lydia Cornelius behandelt hatte, war noch lange nicht verraucht; »aber von mir aus können Sie Pitt und >du< sagen, wenn ich auch längst eingesegnet bin.«
    »Na, das ist ja sehr schön«, sagte er.
    Mit solchen Redensarten fing unsere Unterhaltung an. Er gab sich sehr freundlich und liebenswürdig. Wenn man daran dachte, daß er sich vor einer knappen Viertelstunde wie ein Stier benommen hatte, dem man ein rotes Tuch vorhält, dann muß ich schon zugeben, daß es mir ziemlich schleierhaft war, wie ein Mensch in seiner Stimmung so schnell Umschlägen konnte.
    »Ich kann alles leiden«, sagte er und ließ beim Sprechen den Zigarettenrauch aus dem Mund quellen, »alles, nur keine Unaufrichtigkeit. Und ich meine, wir beide werden uns gut verstehen und gute Freunde werden, wenn du mir haargenau erzählst, wie du dazu gekommen bist, mir diesen merkwürdigen Brief zu schreiben.«
    Da saß ich schon tief in der Tinte, denn ich konnte ihm doch nicht eingestehen, daß ich sein Schreiben ans Meldeamt geöffnet hatte. Zum Glück fiel mir eine sehr gute Ausrede ein. Ich erzählte ihm, daß ich, anstatt den Brief in den Postkasten zu werfen, damit zum Meldeamt gegangen wäre, weil ich in der Nähe etwas zu besorgen gehabt hätte. Und wie ich nun den Brief am Schalter abgegeben hätte und gerade wieder gehen wollte, hätte mich der Beamte auch schon zurückgerufen und gefragt, ob ich ihn denn zum Narren halten wolle, denn in dem Umschlag wäre nichts als ein leeres Meldeformular.
    Der C. B. schien meine Geschichte anstandslos zu schlucken, und da ich über die gefährliche Klippe glücklich hinweg war, erzählte ich ihm haargenau, wie ich durch das leere Formular mißtrauisch geworden war, ob er nicht etwa steckbrieflich gesucht würde, wie ich den Dienstmann Nummer sechzehn und die Witwe Spanner aufgesucht hatte, daß sie mir fünfzig Pfennig geschenkt hatte und daß ich sie dafür zu Muttern nach Mühlgraben Nummer sieben eingeladen hatte.
    »Für dein Alter hast du ein verdammt helles Köpfchen, Pitt«, sagte er und kicherte durch die Nase, »du hast die Sache wirklich gut

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