Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
pfenniggroßen roten Flecken im Gesicht, die sie sonst nur bekommt, wenn es zwischen Vater und ihr mal einen Wirbel gibt, was aber selten geschieht.
    »Donnerlittchen, Pitt«, sagte sie, »so was von Gesicht und Figur habe ich wahrhaftig mein Lebtag noch nicht gesehen! Nicht einmal bei Rasmussens, und dabei verkehrte dort doch wirklich die Ohtewolleh. Aber unser Ingenieur, nein, ein feiner Mann ist das nicht. Wie Spucke hat er sie behandelt, wie Spucke!«
    »Direkt hundsgemein!« sagte ich und verschwand in meinem Zimmer. Auf den C. B. hatte ich plötzlich eine richtige Wut. Er mochte ja ein sehr gescheiter Mensch sein, aber von Erziehung und guter Kinderstube war da nicht viel zu spüren. Wenn ihm das Angebot, das ihm die Dame im Auftrag ihres Chefs gemacht hatte, auch nicht paßte, so hatte sie es doch auf anständige Weise vorgebracht, und er hätte es wenigstens höflich zurückweisen müssen.
    Je länger ich über das Gespräch, das die beiden geführt hatten, nachdachte, desto mehr kam ich zu der Überzeugung, daß der C. B. einen dicken Sparren im Kopf hatte. Vielleicht war auch das ganze Getue, das er mit sich anstellte, nichts als eine fixe Idee von ihm, eine Art von Verfolgungswahn wie bei unserm Mittelschullehrer Caspary, den sie schließlich in eine Irrenanstalt bringen mußten, weil er zuerst seine Frau und später seine Kollegen beschuldigte, sie wollten ihn vergiften.
    Ich war so in Gedanken versunken, daß ich erst nach einer geraumen Weile die kleine Karte entdeckte, die mitten in meinem Zimmer auf dem Teppich lag. Es war die Visitenkarte, die die fremde Dame meiner Mutter gegeben hatte, als diese sie fragte, wen sie Herrn Johnen melden dürfe. In zierlicher Druckschrift stand ein Name darauf: >Lydia Cornelius<. Lydia hieß sie also mit Vornamen, und wie ich ihn so vor mich hinsprach, war es mir eigentlich klar, daß sie nur Lydia und nicht anders heißen konnte. Besonders das Ypsilon, von dem man nie recht weiß, ob man es nun wie i oder wie ü aussprechen soll, gab ihrem Namen etwas Apartes und Geheimnisvolles. Und kursiv gedruckt sah der Buchstabe besonders fremdartig aus. Das Ypsilon hing zwischen den anderen Buchstaben wie eine sehr kostbare und seltene Blume.
    Zudem stieg von der Karte ein ganz feiner, zarter Duft auf, viel zarter als aus den Päckchen mit Vanillepulver, die Mutter manchmal in den Kuchenteig schüttet. Es war ein fremdartiger, aber sehr angenehmer Duft, der einen richtig streichelte, so daß man davon fast schläfrig wurde, wie beim Friseur, wenn einem der junge Mann zum Schluß mit der Maschine, nur noch die Haarspitzen abschneidet, ohne dabei die Kopfhaut zu berühren. Der Duft wirkte wie Rückenkraulen und versetzte mich in einen entrückten Zustand wie kurz vor dem Einschlafen.

8

    Ein Geräusch schreckte mich auf. Ich hörte den C. B. mit kurzen Schritten nebenan auf und ab gehen. Man hätte meinen können, es stapfe dort ein kleiner, schwerer Mann auf kurzen Beinen herum, während der C. B. in Wirklichkeit doch ziemlich groß war und recht lange Beine hatte. Sein Gang war eigentümlich. Vielleicht hatte er ihn sich dadurch angewöhnt, daß er seit langer Zeit, immer nur umgeben von vier Wänden, wie in einer Gefängniszelle lebte. Allein an seiner Art, sich zu bewegen, hätte ich ihn unter Tausenden erkannt. Aber plötzlich unterbrach er seine Hin- und Herlauferei, riß die Tür auf und schrie laut nach meiner Mutter: »Frau Tümmler! Kommen Sie doch bitte zu mir!«
    Meine Mutter stürzte ganz erschrocken aus der Küche in den Flur. Wahrscheinlich dachte sie, beim C. B. müsse ein Wasserrohr geplatzt oder Feuer ausgebrochen sein.
    »Frau Tümmler«, sagte er, »Sie haben doch einen Sohn, nicht wahr?«
    »Ja, Herr Ingenieur, den Pitt.«
    »Ach bitte«, sagte er, »schicken Sie mir den Jungen doch einmal her, wenn er im Hause ist.«
    Und schon rief Mutter laut meinen Namen, aber ich meldete mich nicht, denn mir war die Kehle wie zugeschnürt, weil ich wußte, daß jetzt alles herauskommen würde, was ich angestellt hatte.
    »Einen Moment, Herr Ingenieur«, sagte Mutter, »der Bengel scheint auf seinen Ohren zu sitzen. Ich habe ihn doch gerade in sein Zimmer verschwinden sehen.« Und dabei machte sie auch schon meine Tür auf, sah mich sitzen und fragte ärgerlich, ob ich Pech am Hintern hätte und am Stuhl festgeklebt sei. »Marsch, du sollst sofort zu Herrn Johnen kommen, Pitt!« Und weil ich gar zu langsam davonschlich, bekam sie mich am Ohr zu fassen und gab mir eine

Weitere Kostenlose Bücher