Seelenverkäufer
gemacht, aber leider hat alles nichts genützt.«
»Nein, genützt hat es nichts«, sagte ich, »denn als ich das zweite Mal zu Nummer sechzehn ging, da hielt er ein ganzes Lokal frei und schmiß eine Lage nach der andern. Da wußte ich natürlich sofort, woher das Geld kam, und meinte auch, daß es höchste Zeit sei, Sie zu warnen.«
Der C. B. blieb eine ganze Weile still sitzen und steckte sich eine Zigarette nach der andern an. Er fraß sie förmlich, und bei jedem Zug glühte der Tabak immer gleich ein langes Stück auf.
»Tscha, Pitt, das ist ja nun sehr nett von dir gewesen«, sagte er schließlich, »aber nun möchte ich auch noch gern wissen, weshalb du das alles für mich getan hast, denn im Grunde hast du mich doch im Verdacht gehabt, ein Banknotenfälscher oder sonstwas für ein Gauner zu sein...«
Darauf eine Antwort zu finden war nicht gerade leicht. Denn daß ich ihn, bevor die Sache mit Fräulein Lydia Cornelius passierte, bewundert und gern gehabt hatte, das gesteht man doch unter Männern nicht ein. Und so stotterte ich denn, mir hätte daran gelegen, daß er in Ruhe mit seiner Arbeit fertig würde.
»Bist ein feiner Kerl, Pitt«, sagte er und klopfte mir auf die Schulter. Dann wurde er wieder sehr nachdenklich, was mir Zeit gab, mich im Zimmer ein wenig umzusehen. Nun konnte ich die rätselhafte Zeichnung auf dem Brett endlich aus der Nähe betrachten. Aber schlauer wurde ich trotzdem nicht daraus. Auch die Titel von den Büchern, die haufenweise herumlagen, machten mich nicht klüger, und außerdem waren mehr als die Hälfte von ihnen in Englisch oder Französisch geschrieben. Aber alle, auch die fremdsprachigen, waren zerlesen und zerfleddert, als hätten sie schon Dutzende von Umzügen mitgemacht, und bei den meisten steckten zahllose Zettel zwischen den Seiten, auf denen der C. B. sich Notizen gemacht hatte.
»Also, Pitt«, sagte C. B. nach einer sehr langen Denkpause, »nachdem die Sache nun einmal so steht, werde ich dir wohl etwas mehr über mich erzählen müssen, damit du nicht etwa denkst, ich verstecke mich deshalb, weil ich ein Verbrechen begangen habe. Du kannst mir auch heute oder morgen ein neues Meldeformular bringen. Und damit du gleich weißt, mit wem du es nun wirklich zu tun hast: ich heiße Hogendahl, E. G. Hogendahl.«
Als ich ihn daraufhin wohl ein wenig schief ansah, da er schon wieder mit zwei abgekürzten Vornamen daherkam, beteuerte er: »Nein, nein, dieses Mal kannst du dich wirklich darauf verlassen, daß es stimmt, was ich dir sage. Mein voller Name lautet Ernst Georg Hogendahl. Die Familie stammt aus dem Flämischen, aber sitzt schon länger als hundert Jahre in Deutschland.«
Herr Hogendahl machte immer sehr lange Pausen zwischen den Sätzen. Manchmal kam es mir vor, als müsse er sich auf verschiedene Worte erst besinnen, wie ein Mensch, der jahrelang allein auf einer einsamen Insel gelebt hatte.
»Du scheinst mir ein recht vernünftiger Bursche zu sein, Pitt«, sagte er. »Ich glaube, daß ich zu dir Vertrauen haben kann, und ich bin es dir wohl auch schuldig, zu erklären, wie alles gekommen ist, warum ich bei euch und überhaupt seit zwei Jahren immer unter falscher Flagge gesegelt bin...«
»Ich will mich Ihnen nicht aufdrängen, Herr Hogendahl«, sagte ich, »und neugierig bin ich auch nicht.«
»Wahrhaftig«, sagte er und blinzelte mich aus einem Auge an, »neugierig bist du keine Spur.«
Ich muß wohl wie mit Blut übergossen ausgesehen haben; er fuhr nämlich gleich fort, er nähme es mir durchaus nicht übel, daß ich ihm nachspioniert hätte; im Gegenteil, das wäre mein gutes Recht gewesen, nachdem die Geschichte mit dem leeren Meldezettel nun einmal geschehen sei.
Was Hogendahl mir dann erzählte, will ich hier etwas kürzer und schneller wiedergeben, als er es tat mit seinen ewiglangen Pausen und >Tjas< und >Hms<, wodurch es mehr als zwei Stunden dauerte, bis er mit seinem Bericht fertig war. Für mich war es trotzdem ungeheuer spannend und aufregend, ihm zuzuhören, denn es war schon allerhand, was er mir da vorsetzte.
Also, als Herr Hogendahl sein Ingenieurstudium an der Technischen Hochschule in Hannover beendet hatte, lag er lange Zeit auf der Straße, denn der Erste Weltkrieg war erst vor kurzem beendet worden und die Industrie mußte sich nun von der Kriegsproduktion auf friedliche Gebrauchsgüter umstellen. Monatelang suchte Hogendahl vergeblich eine Stellung, bis er dann eines Tages von einer Kieler Fabrik ein Angebot bekam. Die
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