Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
die Kleinen, sagte er, jagen die Großen. Na, ich hatte die Erfahrung gemacht, daß die sogenannten besseren Kunden durchaus nicht die besten waren. Denen war immer alles zu teuer. Die Kleinen, die kein Geld hatten, die handelten nicht erst lange, sondern zahlten anstandslos; das heißt, eigentlich zahlten sie nicht, sondern ließen anschreiben. Und das hatte auch wieder seine Schattenseiten. Denn diese Kunden wechselten sehr oft die Wohnung, und wenn sie uns auch gewöhnlich nur mit kleinen Summen durch die Lappen gingen, so läpperte es sich doch zusammen. Ja, das kriegte man bald heraus: wer handelte, zahlte gewöhnlich bar; wer aber alles in die Einkaufstasche schob und nichts sagte, der bat zum Schluß in der Regel, den fälligen Betrag anzuschreiben. Und so gesehen war der Gemüsehandel meiner Eltern ein sehr schweres Brot.

10

    Die nächsten Tage und Wochen vergingen still. Herr Hogendahl schuftete Nacht für Nacht, bis er vor Müdigkeit und Erschöpfung umfiel. Sonst ereignete sich nichts von Bedeutung. Ich war darüber fast ein wenig enttäuscht, denn ich hatte mit mindestens einem oder zwei Einbrüchen bei uns gerechnet. Für diesen Fall hatte ich mir sogar von meinem Freund Karlchen Gutbier gegen Gerstäckers >Flußpira-ten vom Mississippi eine alte Pistole eingetauscht. Sechs Patronen waren dabei. Aber ich kam nicht dazu, sie auf jemanden abzuschießen, und das war vielleicht ganz gut, denn immerhin hat man es hinterher sehr schwer, zu beweisen, man habe in Notwehr gehandelt.
    Schließlich passierte doch etwas. Als ich an einem Nachmittag Mutter bei der Wäsche half, die großen Stücke auszuwringen, und die Nase auch mal ein bißchen vor die Tür streckte, um zu sehen, was es auf der Straße gäbe, trat plötzlich ein fremder Herr mit einer kalten Zigarette im Mund zu mir und fragte mich, ob ich zufällig Feuer bei mir hätte. Er war ganz ordentlich gekleidet und trug eine schwarze Aktenmappe unterm Arm, weshalb ich ihn für einen Vertreter hielt.
    »Nein«, sagte ich, »ich selber rauche noch nicht, aber ich will Ihnen gern ein Zündholz holen.«
    »Sehr liebenswürdig«, näselte er; er sei mir sehr verbunden, daß ich mich für ihn bemühen wolle. Er redete ziemlich geschwollen daher. Als ich dann mit den Zündhölzchen aus dem Laden kam, wollte er mir für die kleine Gefälligkeit doch wahrhaftig eine ganze Mark in die Hand drücken, wofür er im Laden drei große Pakete Streichhölzer bekommen hätte.
    Na, wenn ich auch alles mögliche bin — auf den Kopf gefallen bin ich ganz gewiß nicht: Für nichts und wieder nichts, was ein Zündholz doch nun einmal ist, schenkt einem niemand eine Mark, außer, wenn er eine Lumperei vorhat. Und da sah ich mir den Herrn etwas näher an. Er merkte wohl sofort, daß er mit seiner Spendierfreudigkeit eine Dummheit gemacht hatte, denn er wurde richtig verlegen und sagte, um mich abzulenken: »Warm heute, wie?«
    »Klar«, sagte ich, »dafür haben wir ja auch Sommer.« Währenddessen dachte ich bei mir: Vorsicht, Pitt, der Kerl will etwas von dir, und was er will, das sind bestimmt keine Zündhölzer! Unterdessen sah sich der Mann in der Straße um, als suche er in den Fenstern nach einem bekannten Gesicht und brummelte vor sich hin, aber deutlich genug, daß ich ihn verstehen konnte: »Carolinenplatz... Carolinenplatz... na, wenn ich mich da nur nicht tüchtig verlaufen habe!«
    »Da haben Sie sich allerdings mächtig verbiestert, wenn Sie nach dem Carolinenplatz wollen«, sagte ich. »Sie sind wohl fremd hier?«
    »Vor zwei Stunden erst aus Lüneburg angekommen«, antwortete er. Und da hatte ich ihn auch schon bei der ersten faustdicken Lüge erwischt, denn in seiner äußeren Brusttasche steckte in einem Zelluloidfutteral eine Monatskarte für die Hamburger Straßenbahn.
    »Ja«, sagte ich, »das ist aber eine ganz gehörige Ecke bis zum Carolinenplatz, da werden Sie sich am besten eine Droschke oder ein Taxi nehmen.«
    »Ach nein«, meinte er und erzählte mir, er sei die ganze Nacht durchgefahren — von Lüneburg, du blöder Hund! dachte ich im stillen. Nun sei er froh, wenn er sich die Beine ein wenig vertreten könne. Und dann machte er ein Gesicht, als fiele ihm gerade etwas besonders Gescheites ein und fragte mich, ob ich mir einen Taler verdienen wolle; den könnte ich haben, wenn ich ihn zum Carolinenplatz führte.
    Das war nun der zweite Griff nach dem Portemonnaie innerhalb von fünf Minuten. Der Bursche schien mächtig geldgierig zu sein und sich

Weitere Kostenlose Bücher