Seelenverkäufer
einzubilden, mich mit den gleichen Mitteln fangen zu können, auf die er flog. Ich tat natürlich, als ob ich auf den Taler mächtig scharf sei und war mir meiner Sache sehr sicher, daß nicht ich am Ende der Geleimte sein würde. Weil ich aber wegen Mutters großer Wäsche nicht viel Zeit hatte, beschloß ich, ihn rasch und gründlich aufs Glatteis zu führen und ausrutschen zu lassen. Ich nahm ihn also ins Schlepptau, schlug aber genau die entgegengesetzte Richtung ein. Er trabte neben mir her und folgte mir über zwei Straßenkreuzungen. Plötzlich blieb er jedoch stehen und packte mich am Ärmel: »Zum Teufel noch mal — wohin schleppst du mich eigentlich?«
Daß er auf mein mehr als grobes Manöver so gründlich hereinfallen würde, hatte ich eigentlich nicht erwartet. Er schien eine ellenlange Leitung zu haben, denn er hatte noch immer nicht begriffen, daß er sich längst verraten hatte. Oder er war ein so miserabler Lügner, daß er nicht mehr wußte, was er mir vor fünf Minuten erzählt hatte. Vielleicht hielt er mich auch für so einfältig, daß er glaubte, sich mit mir keine große Mühe geben zu brauchen. Diesen Irrtum habe ich ihm dann jedoch rasch und sehr gründlich ausgetrieben.
»Also, erstens einmal wissen Sie hier genauso gut Bescheid wie ich«, sagte ich und grinste ihn recht frech an. »Zweitens haben Sie eine Monatskarte für die Hamburger Straßenbahn, und drittens können Sie mir ruhig sagen, was Sie eigentlich von mir wollen. Von wegen Carolinenplatz! Da müssen Sie sich schon einen anderen Dummen suchen.«
Ein Gesicht wie das seine in diesem Augenblick kriegte man nicht alle Tage zu sehen. Er vergaß wahrhaftig, das Maul zuzumachen, so daß man seine Silberplomben in aller Ruhe zählen konnte. Und außerdem lief er knallrot an. Weil er ein ziemlicher Brocken von Kerl war, trat ich vorsichtshalber einen kleinen Schritt zurück und unterließ auch das Grinsen, um ihn nicht unnötig zu reizen, denn ich sah ihm deutlich an, daß er gute Lust hatte, mich nach Strich und Faden zu versohlen. Aber er unterdrückte diese Gelüste und faßte sich schnell — irgend etwas muß solch ein Kerl ja können. Während er mir kollegial, wie ein Gauner dem andern, auf die Schulter klopfte, meinte er gönnerhaft: »Na, dann können wir die lange Vorrede ja beiseite lassen, noch? Du bist ein verdammt gescheiter Bursche und hast es jetzt in der Hand, dir ein paar Hunderter zu verdienen.«
»Wahr und wahrhaftig?« fragte ich, als könnte ich es gar nicht mehr erwarten, die Scheine auf die Hand gezählt zu bekommen.
»Mein Wort darauf!« versicherte er mir und hob tatsächlich die Finger zum Schwur in die Höhe.
»Ein paar Hunderter?« schnappte ich gierig wie ein augehungerter Hecht. »Und wie das?«
»Ganz einfach und ohne jedes Risiko«, antwortete er und zog vor meinen Augen eine kleine, aber augenscheinlich sehr teure und gute Kamera aus seiner Ledertasche. »Verstehst du, mit solch einem Apparat umzugehen?«
»Woher sollte ich?« fragte ich achselzuckend.
»Das macht nichts«, sagte er, »ein gescheiter Bursche wie du lernt das in einer Viertelstunde, und du sollst ja auch keine Kunstwerke, sondern gestochen scharfe Bilder liefern.«
»Ich verstehe Sie nicht«, erwiderte ich.
Er zögerte ein Weilchen und sah mich mit einem verkniffenen Blick an, als schätze er ein Schwein bei Nacht und Nebel auf sein Schlachtgewicht: »Bei euch wohnt doch ein gewisser Hogendahl zur Miete«, sagte er schließlich leise und beugte sich zu meinem Ohr herunter. »Der soll dabeisein, eine ganz tolle Erfindung zu machen. Vielleicht weißt du schon etwas davon?«
»Keine Ahnung«, sagte ich und spürte, wie mir die Wut auf den Kerl die Kehle abschnürte.
»Ich bin nämlich Reporter bei einer großen New Yorker Zeitung drüben in den Staaten, und brauche ein paar Aufnahmen von den Hogendahlschen Plänen für einen Zeitungsartikel; als Sensation, worauf sie drüben in Amerika immer scharf sind, verstehst du...?«
Da beging ich leider eine Dummheit. Anstatt ihm, wie man nicht gerade fein, aber sehr anschaulich sagt, zuerst in aller Gemütsruhe die Würmer aus der Nase zu ziehen und ihn dann abblitzen zu lassen, packte mich der Zorn, daß dieser miese Gauner glaubte, mich kaufen zu können, noch dazu mit so jämmerlich dummen Lügen: von wegen Zeitungsbericht und so...
Die Straße war voller Leute, passieren konnte mir nichts, außerdem kam in dem Augenblick auch noch ein Schupo die Zeile entlang — und da legte ich
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