Seelenverkäufer
als hätte er die Kraft verloren, den Kopf geradezuhalten. »Und nun bin ich deiner guten Mutter schon vierzehn Tage lang das Zigarettengeld schuldig geblieben. Sag ihr bitte, ich wäre ihr sehr dankbar, daß sie mir solange Kredit gegeben hat.«
Ich machte eine Bewegung, als ob es da nichts zu danken gäbe, obwohl mir sehr blümerant zumute war, denn wie sollte ich das Geld ersetzen, das ich aus Mutters blauer Notgroschenschatulle herausgenommen hatte. Und wie sollte es mit Hogendahl weitergehen, wenn er nicht einmal mehr seine Miete zahlen konnte?
»Ich besitze noch eine ganz kleine Reserve«, sagte er, »aber die muß ich unbedingt zurückhalten, um ein paar bekannte Firmen zu besuchen, denen ich meine Pläne vorlegen will. Später habe ich natürlich Geld in Hülle und Fülle.«
»Das ist klar, Herr Hogendahl«, sagte ich, »nur was wollen Sie inzwischen machen? Sie wissen es, oder vielleicht auch nicht, daß mein Vater mit seinem Gemüsekram gerade so viel verdient, um uns durchzubringen.«
Er griff in die Hosentasche und holte ein kleines, in Seidenpapier gewickeltes Päckchen heraus. Als er es mir entgegenstreckte, machte er ein so verlegenes Gesicht wie ein junger Hund, der sein Geschäft gerade auf dem Teppich erledigt hat. »Ich wollte dich bitten, Pitt, diese Sachen für mich aufs Versatzamt zu tragen oder bei einem Juwelier zu verkaufen. Ich würde es ja gern selber besorgen, aber so, wie ich jetzt aussehe, fürchte ich, würde man annehmen, ich hätte sie gerade irgendwo gestohlen...«
»Na, so schlimm sehen Sie ja nun nicht aus«, sagte ich, um ihn zu trösten. Er winkte jedoch ab, denn er wußte genau, wie es um ihn stand.
»Und sag deinen Eltern nichts davon«, bat er.
»Auf gar keinen Fall, Herr Hogendahl! Aber sind die Sachen denn überhaupt etwas wert?« Das Päckchen kam mir nämlich sehr leicht vor. Eine goldene Uhr war gewiß nicht drin.
»Ich habe mal viel Geld dafür bezahlt«, sagte er unsicher, »drüben in Veracruz. Es ist natürlich möglich, daß man mich betrogen hat, denn Ehrlichkeit ist dort Mangelware.«
»Was ist es denn?« fragte ich.
»Ein Siegelring, eine Krawattennadel und ein Armband. Das habe ich damals für eine Dame gekauft. Nur war ich ihr wohl zu oft unterwegs — und da hat sie dann einen andern Herrn geheiratet...«
»Ist das Gold auch gestempelt?« fragte ich.
»Ich glaube schon, daß es echt ist. Wertvoller ist jedoch der Stein in der Krawattennadel, ein Rubin von einem Karat. Wenn der nicht echt ist, kann ich demnächst nur noch an den Pfoten saugen.«
Allzu viel Hoffnung machte ich mir nicht, aber den Versuch konnte man ja wagen. Deshalb bat ich ihn, mir eine Bescheinigung auszustellen, die mich berechtigte, die Sachen zu verkaufen oder zu versetzen. Daß man solch eine Vollmacht brauchte, wußte ich, denn Vater hatte mich vor einem halben Jahr mit unserm Regulator und mit Mutters Trauring aufs Leihamt geschickt, um eine dringende Schuld beim Großhändler bezahlen zu können.
Während Hogendahl den Berechtigungsschein ausstellte und unterschrieb — er gab mir auch seinen Reisepaß mit, damit der Beamte die Unterschriften vergleichen konnte — , sah ich mir die Schmuckstücke an. Der Rubin glitzerte im Licht, als sprühe er Funken, und das Armband, das aus einzelnen viereckigen Platten mit sehr seltsam anmutenden Ornamenten bestand, glänzte wie neu und hatte keine Spur von Rost oder Grünspan angesetzt, was nach so langer Aufbewahrung bei Tombak sicher der Fall gewesen wäre.
Auf dem Weg zum Leihamt kniff ich beide Daumen so fest in die Fäuste ein, daß sie, als ich sie wieder freilassen mußte, wie eingeschlafene Füße prickelten.
Auf dem Amt blätterte mir der Leihmensch für das Armband allein zwei blaue Scheine und dreißig Mark in Silber hin! Einen derartigen Erfolg hätte ich mir nicht einmal zu erträumen gewagt. Ich konnte davon das Geld, das ich für Hogendahl ausgelegt hatte, abziehen und in Mutters Schatulle zurücklegen; zudem brachte ich ihm seinen Siegelring und die Krawattennadel mit dem Rubin wieder zurück. Und die Nadel mit dem Stein, die ich von dem Beamten hatte schätzen lassen, war achthundert Mark unter Brüdern wert! Das hatte der Verleiher als Amtsperson zu mir gesagt.
Als ich Hogendahl das Geld übergab, stand er eine ganze Weile stumm vor mir und preßte nur meine Hand. Dann wollte er mir den Siegelring schenken. Aber ich nahm ihn nicht an. Ich war heilfroh, daß die zehn Mark wieder in Mutters Kommode lagen.
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Eine
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