Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
halbes Jahr ein Stahlfach mietete und ein Paket mit Plänen hinterlegte.
    In der Zeit, in der wir unterwegs waren, gab er sich äußerst wortkarg und verschlossen; ich hatte das Gefühl, als erwarte er jeden Augenblick irgendeine Teufelei: von welcher Seite, das ließ sich ja unschwer erraten. Nachdem wir die Pläne ohne jeden Zwischenfall im Safe untergebracht hatten, wollte ich ihm schon sagen, daß er sich Don Saraiva wohl gefährlicher vorstelle, als der in Wirklichkeit sei. Es schien fast, als hätte Hogendahl meine Gedanken erraten: Beim Verlassen der Bank meinte er, es würde ihn interessieren, was sich hinter Saraivas Schweigen verberge — etwas Gutes ganz gewiß nicht.
    Am Nachmittag zahlte er meiner Mutter die Miete für den September im voraus und schenkte mir zwanzig Mark. Dem Taxichauffeur gab er zu dem Fuhrlohn von zwei Mark achtzig eine Mark Trinkgeld, und einem älteren Fräulein von der Heilsarmee steckte er ein Fünfmarkstück in die Sammelbüchse. Wahrhaftig, er schmiß mit dem Geld um sich, als ob es Dreck sei. Als Mutter zu ihm sagte: »Ach Gott, Herr Ingenieur, nun haben Sie mir bereits die Miete für den nächsten Monat gegeben, wo Sie vielleicht nie mehr in diesem Loch wohnen werden«, da antwortete er ihr, sie solle bloß still sein: die Ruhe und Freundlichkeit, die er in diesem Hause gefunden habe, wäre eigentlich gar nicht mit Geld zu bezahlen. Und im übrigen stünde es jetzt so um ihn, daß es seine Pflicht sei, sein Geld zu verschwenden: eine andere gäbe es für einen Reichen nicht.
    Sehr wohl war mir bei solchen Sprüchen nicht, aber er schien genau zu wissen, was er sagte und tat.
    Am nächsten Tag reiste er ab. Für wie lange, war noch offen. Er hatte einen sehr guten, fast neuen Anzug an, der allerdings seit drei Jahren außer Mode war: Die Hosenbeine liefen nach den Umschlägen schmal zu, und der Rock war hinten geschlitzt, was man schon längst nicht mehr trug.
    »Na, nun erzähl doch mal«, sagte Vater, als wir nach Hogendahls Auszug abends beim Essen zusammensaßen, »was ist nun mit seinem Geld, und was ist an seiner Erfindung dran, die er gemacht hat?« Aber ich zuckte nur mit den Schultern und tat, als wüßte ich nichts Genaues oder eben nicht mehr, als daß es eine Erfindung sei, die Hogendahl ungeheuer viel Geld einbringen werde.
    Er blieb lange aus, mehr als drei Wochen, und während der ganzen Zeit ließ er nichts von sich hören. Wenn ich meinen Eltern ausmalte, wie er zurückkommen würde, in einem riesigen Automobil und mit einem Troß von Dienerschaft, dann knurrte mein Vater nur, weil er zu jener Sorte Mensch gehört, die nichts glaubt, was sie nicht sieht. »Hol di am Tuhn, de Himmel is hoch!« Bei so was konnte ich richtig giftig werden und knurrte zurück: »Na, wart doch erst mal ab!«
    Für das Geschäft war ich in diesen Wochen nicht zu gebrauchen; ich maulte und wurde beim geringsten Auftrag aufsässig. Nie hätte ich es mir verziehen, Hogendahls Rückkehr versäumt zu haben. Jedesmal, wenn Vater mich zu einem Botengang losschicken wollte, mußte er vorher mit der Hand ausholen, und so schnell wie an jenen Tagen bin ich nie zuvor mit den Beinen gewesen.
    Als ich nun einmal ziemlich atemlos von solch einem Gang zurückkam, sah mich mein Vater mit einem ganz merkwürdigen Blick an. Dann deutete er mit dem Daumen rückwärts über die Schulter in den dunklen Flur hinein und sagte, wie der Butt im Märchen vom >Fischer un siner Frau<: »Go man rin, hei sitt all wedder up sin Pißpott...«
    »Wer?« fragte ich und spürte, wie mir das Blut in den Adern stockte.
    »Wer schon?« brummte er. »Dein Hogendahl natürlich!«
    Ich schoß wie der Blitz durch den Laden in den Flur hinein. Und da sah ich ihn auch schon bei Mutter in der Küche am Tisch mit der ausgefransten Wachstuchdecke sitzen, in seinem grauen Reiseanzug. Vor ihm stand Vaters großer Kaffeetopf, und meine Mutter hatte rotgeweinte Augen und wischte sich mit dem Schürzenzipfel das Gesicht. Zusammengebrochen oder hoffnungslos sah Hogendahl nicht aus; er hatte frische Farbe und schien wieder im Vollbesitz seiner Kräfte zu sein. Ja, er wirkte drahtiger, als ich es ihm zugetraut hätte.
    »Tscha, Pitt«, sagte er ernst und war ganz ruhig dabei, als ob er über eine Sache spräche, die ihn nicht sonderlich berühre. »Es war ein glatter Reinfall. Teils hielten sie mich für einen Narren und teils für einen Lumpen. Nun, ich bin nicht der erste, dem es so ergangen ist.« Er legte die Hände um die Tasse, als

Weitere Kostenlose Bücher