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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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aber ich sah keinen anderen Ausweg. Wo ich ihn traf, 1 sprach ich ihn an und bohrte: »Ja, Herr Hogendahl, das ist nun wirklich traurig um Sie bestellt, so herumzusitzen und nicht einmal zu # wissen, ob Ihre Maschinen und Apparate auch wirklich funktionieren würden, nicht nur auf dem Papier...«
    Schließlich wurde er von meinen dauernden Sticheleien ganz mürbe und gestand mir eines Abends, als ich ihn in seinem Zimmer besuchte, i daß er in seinem verfahrenen und gescheiterten Leben nur noch einen Wunsch hätte: einmal seine Konstruktion verwirklicht und bewährt zu sehen.
    »Auch Don Saraiva?« fragte ich leise und aus sicherer Entfernung, falls er explodieren sollte.
    Er sah mich wie blind an. »Hoffnungslos«, antwortete er mit müder Stimme, »weiß der Kuckuck, wo der jetzt mit seinem Kahn schwimmt. Der hat mich wohl für alle Zeiten abgeschrieben.«
    Ich sagte kein Wort dazu, aber am nächsten Morgen stand ich in der Telefonzelle an der Ecke mit dem Kärtchen in der Hand, das damals im Frühjahr das schöne Fräulein Lydia Cornelius bei uns zurückgelassen hatte. Das war nun schon so lange her, daß die kleine Karte ihren süßen Duft verloren hatte. Die mit Bleistift notierte Telefonnummer war verwischt und fast unleserlich geworden, aber das Bild der jungen Dame lebte nach wie vor deutlich in meinem Gedächtnis. Mehr als ein halbes Jahr war inzwischen vergangen, und vielleicht hatte es gar | keinen Zweck mehr, den Zehner für das Gespräch zu opfern. Ich wählte mit einiger Beklemmung die Nummer und preßte den Hörer mit feuchten Fingern ans Ohr. Und dann ertönte ihre Stimme am Telefon: »Hallo, Sekretariat von Señor Don Saraiva — mit wem spreche ich?«
    Und ich Idiot antwortete vor Aufregung: »Ich bin’s!« Mir war, als ob ich einen elektrischen Schlag bekommen hätte, als ich nun ihre Stimme und ihr Lachen hörte. Ja, sagte sie, das glaube sie gern, daß ich es sei, aber ich müßte schon die Güte haben, meinen Namen zu verraten.
    »Pitt Tümmler«, stotterte ich — und weil es drüben am anderen Ende der Leitung still blieb, wiederholte ich meinen Namen und fügte hinzu: »Der Sohn vom Gemüsegeschäft Tümmler in der Brückenstraße sechzehn, wo Herr Hogendahl zur Miete wohnt.«
    Noch immer erfolgte keinerlei Resonanz, und ich bekam es mit der Angst zu tun, sie könnte den Hörer eingehängt haben, weil sie mit Hogendahl nach dem bösen Auftritt vor einem halben Jahr nichts mehr zu tun haben wollte.
    »Hallo!« rief ich. »Sind Sie noch am Apparat?«
    »Ja, gewiß«, tönte es hastig zurück, und nun klang ihre Stimme so, als ob sie mit allem anderen, nur nicht mit meinem Anruf gerechnet hatte. »Darf ich fragen, was Sie wünschen, Herr Tümmler?« kam es ziemlich kühl aus der Sprechmuschel.
    »Ich muß unbedingt Don Saraiva sprechen«, sagte ich.
    »In welcher Angelegenheit?«
    Ich dachte: Herr des Himmels, was hat sie nur, daß sie sich so anstellt, als höre sie den Namen Hogendahl zum erstenmal in ihrem Leben?
    »Es ist natürlich wegen Herrn Hogendahl!« sagte ich.
    Wieder zögerte sie eine Weile und sagte schließlich: »Sie haben Glück, junger Mann, Don Saraiva ist vor einer Woche von einer längeren Reise zurückgekommen. Warten Sie bitte, ich hole ihn an den Apparat.«
    Ich hörte, wie sie den Hörer auf den Tisch legte und sich entfernte. Merkwürdig mutete mich nur die Art und Weise an, in der sie mir geantwortet hatte. Ich hätte im Moment nicht zu sagen vermocht, was mich an ihrem Verhalten befremdete: die Kürze ihrer Fragen und Antworten, ihr häufiges Zögern und Schweigen. Aber da wurden auch schon wieder Geräusche im Telefon vernehmbar, Schritte näherten sich, eine männliche Stimme stellte eine Frage, und die Antwort von Fräulein Cornelius klang deutlich in mein Ohr: »Der kleine Schuft heißt Tümmler.« Ein Zischen und wieder die Männerstimme: »Seien Sie doch vorsichtig!« Nun hatte Don Saraiva den Hörer bereits in der Hand. Mir aber fiel es wie Schuppen von den Augen, und mein Gesicht brannte plötzlich, als hätte ich rechts und links je ein Dutzend saftiger Ohrfeigen eingefangen. Also das war es! Sie glaubte von mir, ich wolle Hogendahl an Don Saraiva verkaufen!
    »Sie wünschen mich zu sprechen, Herr Tümmler?« sagte der Brasilianer mit sanfter Stimme.
    »Ja, Herr Saraiva, ich möchte gern mal ein Wort mit Ihnen reden«, antwortete ich und dachte: Jetzt kein Wort von dem, was du wirklich von ihm willst. Mag er ruhig denken, daß du es bereust, das Angebot

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