Seelenverkäufer
meisten Fällen ist es leider die Mutter mit dem Nachttopf. Nun, dann stehst du da...«
Er zündete sich eine Zigarette an und ließ das Streichholz brennen, bis es seine Fingerspitzen röstete. Er schleuderte es zu Boden und trat es mit dem Absatz grimmig aus. »Und jetzt wirst du dich auf die Seite drehen und schlafen!« sagte er so streng, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. »Übrigens, eines schreib dir hinter die Ohren: Wenn du mir auf solche Gedankenlesereien hin noch mehrere solcher Streiche spielen willst, dann verlaß sich darauf, daß ich dich vom nächsten Hafen, den wir anlaufen, deinen Eltern als Eilfracht zurückschicke!«
17
Zwei Tage lang war ich so seetoll, daß ich am liebsten sterben wollte. Es ging bereits los, ehe noch der Lotse die >Esperanza< am letzten Feuerschiff verlassen hatte.
Wir kriegten aber auch gleich grobe See mit Windstärke fünf, und im Kanal tobte ein richtiges Unwetter, so daß der alte Kasten schlingerte und stampfte. Ich schämte mich furchtbar, aber Heini, der jüngste von der Deckmannschaft, ein feiner Kerl und später mein Freund, an dem ich vorbeischoß zur Reling, hielt mir den Kopf und sagte: »Nur immer raus damit, was zuviel is. Es schad’t auch nichts, wenn du ein paar Kaldaunen mitgehen läßt. Aber wenn dann so ein harter, knorpeliger Ring kommt, den mußt du unbedingt wieder unnerschlucken, dat is nämlich dat Aaschloch.«
Und da hielt ich es denn tapfer zurück.
»Dschä«, meinte Heini, »mit dem S-peien is das ja nun so ’ne Sache, noch? Dat kömmt nämlich manchmal de ältesten Lüte an un is mich auch schon mal passiert, als ich drei Schahre lang auf die >Columbia< gefahren bin und s-päter auf so ’n kleinen Pott übersiedelte wie die >Esperanza<...«
Selbst Hogendahl sah ein wenig grün aus, aber er steckte vom ersten Tag an gleich so mittendrin in seiner Arbeit, daß alles, was um ihn herum geschah, ihn überhaupt nicht zu bekümmern schien. Er fluchte bloß, weil die Seekrankheit auch seine beiden Mechaniker, und besonders schlimm Justaff, den Berliner, erwischt hatte. Übler allerdings als mir konnte es den beiden wohl auch nicht gehen, denn ich glaube, ich wäre wirklich gestorben, wenn mir Hogendahl nicht schließlich den Doktor Gargawienko geschickt hätte.
Der Doktor gab mir ein paar Pillen zu schlucken, und da wurde mir gleich ein bißchen besser. Aber vielleicht hatte ich mich inzwischen auch schon an das Schaukeln gewöhnt. Leider hörte ich von ihm, daß es Fräulein Cornelius ebenfalls nicht besonders gutginge, und tatsächlich bekam ich sie erst in Liverpool wieder zu Gesicht, wo wir den Ersten Steuermann und jene Kerle an Bord nahmen, die er dort für Don Saraiva angeheuert hatte.
Der Erste Steuermann, ein Holländer, der ein halbes Dutzend Sprachen fließend beherrschte, hieß de Veer; er war Don Saraivas rechte Hand und einer von den wenigen Leuten, die dem Brasilianer wirklich ergeben waren. Von Hogendahl erfuhr ich, daß seine Treue nicht von ungefähr kam, denn er war am Gewinn der >Esperanza< mit einem kleinen Prozentsatz beteiligt, der natürlich auf Don Saraivas Rechnung ging.
Kurz bevor wir Liverpool verließen, klopfte es an Hogendahls Kabinentür, und als ich öffnete, stand Fräulein Lydia vor mir. Sie war noch sehr blaß, und als sie mich sah, fragte sie mit einem schwachen Lächeln: »Na, Pitt, du sollst die See ja auch nicht besonders gut vertragen. Wie wär’s, wenn wir beide hier heimlich ausrückten?«
Ich stellte mich natürlich mutig, aber in der letzten Nacht hatte ich mir ernsthaft überlegt, ob ich den Aufenthalt in Liverpool nicht dazu benutzen sollte, um >Rönnaweh< zu machen, wie wir Seeleute das Auskneifen von Bord nennen. Und ich wäre ganz gewiß keine Stunde länger auf der >Esperanza< geblieben, wenn ich etwa als richtiger Schiffsjunge und nicht als Hogendahls Diener und Freund gefahren wäre. Hinzu kam, daß mir in Liverpool zum erstenmal nach einer vollen Fastenwoche das Essen wieder zu schmecken anfing.
Solange mein Magen noch nicht ganz in Ordnung gewesen war, hatte mir der Steward ein paar gute Happen aus der Herrschaftsküche gebracht und mir gesagt, ich solle mich dafür bei dem Fräulein bedanken, denn sie hätte ihm das aufgetragen. Er war ziemlich giftig auf mich, daß er wegen einem >Schnodder< wie mir Lauferei hatte. Und weil mir erstens einmal vor seiner Perücke ein bißchen grauste und ich außerdem befürchtete, er könnte aus Wut unterwegs auf die Sachen spucken, die er mir
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