Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
spät! Mehr kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen, weil dazu keine Zeit ist. In aufrichtiger Ergebenheit — Pitt Tümmler.<
    Ich faltete den Bogen klein zusammen, so daß er gerade in der Hand Platz fand, und trat vorsichtig lauschend aus Hogendahls Kabine heraus. Das Schiff lag in tiefer Dunkelheit. Wolken flogen über den halben Mond, und nur die Laternen der >Esperanza< spiegelten sich rot und grün im schwarzen Hafenwasser. Die Wache vertrat sich unter dem Steuerhaus stampfend die Beine. Es war sehr kalt geworden, und der Nordwind blies wieder kräftiger.
    Ich wartete ab, bis sich meine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, und dann schlich ich auf Socken zum Salon. Der Steward hatte inzwischen die Tafel abgeräumt und dafür verschiedenartige Gläser auf den Tisch gestellt. Der Kristallüster warf zuckende Lichter über den Tisch. Die Herren rauchten Zigarren, und Fräulein Lydia zerteilte einen Pfirsich von einer Größe, wie ich noch nie einen gesehen hatte, obwohl ich doch sozusagen aus der Obstbranche kam. Dann stand der Doktor auf und ging zum Klavier, wo er sofort zu spielen begann. Der Steward brachte ihm das Glas, das er halb gefüllt auf dem Tisch stehengelassen hatte, ans Klavier nach. Doktor Gargawienko spielte wie ein echter Künstler, meistens mit den Händen über Kreuz. Dabei hielt er die Zigarre im Munde und die Augen geschlossen und sah noch edler und schwermütiger aus als sonst, aber mit dem Trinken war er immer am schnellsten von allen fertig, obwohl er sein Spiel nie unterbrach. Es war die reine Hexerei, wie er das alles zugleich fertigbrachte: zu rauchen, zu trinken und zu spielen. Es war höchst beeindruckend.
    Hogendahl unterhielt sich mit dem Kapitän. Seinen sehr merkwürdig anzusehenden kauenden Mundbewegungen nach zu schließen, sprachen sie wohl englisch miteinander, denn Kapitän Maldonado kannte nur ein paar deutsche Brocken. Don Saraiva hatte seinen Sessel dichter an Fräulein Lydia herangerückt. Er redete in einer Tour, und manchmal brachte er sie zum Lachen. Das ging mir immer wie ein Stich durchs Herz. Als er sich dann noch ein Stückchen Pfirsich von ihrer Gabel raubte und in den Mund steckte, da hätte ich ihm am liebsten eine reingehauen.
    Der Steward — ein Deutscher übrigens, den alle nur mit seinem Vornamen Emil riefen — stand mit seinem leberkranken gelben Gesicht und den schwarzgelackten Haaren wie eine Wachsfigur in der Ecke neben der Kredenz und schien nichts zu sehen und nichts zu hören. Sobald aber irgendwo ein Glas leer war, glitt er wie ein geölter Blitz aus dem Schatten hervor und schenkte neu ein. Nicht ein Laut drang von ihren Gesprächen zu mir heraus, kaum etwas vom Klavierspiel des Doktors, und es war fast gespenstisch, hier draußen, von der Gardine verdeckt, durchs Fenster zu spähen; wie Kino ohne Musik und ohne Worte.
    Nach einiger Zeit gab Don Saraiva dem Steward einen Wink, den Sektkühler in seine Nähe zu stellen. Der tat es, verbeugte sich stumm und kam dann so rasch zur Tür, daß ich kaum noch Zeit fand, ins Dunkle zurückzuspringen. Wäre er in meine Richtung gegangen, hätte er mich glatt überrannt, und dann hätte es wahrscheinlich Krawall gegeben. Ich duckte mich. Aber er blieb für einen Moment vor der Tür stehen und sagte zu denen drinnen mürrisch: »So, und jetzt könnt ihr mich alle miteinander...!« Hier fügte er jene Aufforderung hinzu, der nur in den seltensten Fällen nachgekommen wird. Dann ging er zur Reling, beugte sich drüber und atmete ein paarmal laut schnaufend die frische Luft ein. Und plötzlich griff er nach seinem Kopf, nahm, um sich am Schädel zu kratzen — so wie ein anderer Mensch den Hut — seine Haare ab und verschwand mit der Perücke in der Hand in Richtung Vorderdeck, wo er und der Koch logierten. Ich starrte ihm nach, als hätte ich eins mit dem Sandsack über den Brägen gekriegt.
    Als es von einer Kirche in der Nähe des Hafens elf schlug, stand ich noch immer auf meinem Posten. Ich konnte mich kaum mehr rühren, so sehr war ich zusammengefroren — und zum Gotterbarmen müde, denn ich war seit fünf Uhr früh auf den Beinen. Den Flaschen nach zu schließen, die noch vor Don Saraiva im Eiskübel lagerten, war mit dem Aufbruch der kleinen Gesellschaft noch lange nicht zu rechnen, und da wollte ich mich wenigstens für ein paar Minuten in meiner Kammer aufwärmen. Aber dort bin ich dann, kaum daß ich mich aufs Bett gestreckt hatte, fest eingeschlafen.
    Plötzlich wurde ich wachgerüttelt. Das

Weitere Kostenlose Bücher