Seelenverkäufer
brachte, sagte ich ihm, er möge sich meinetwegen keine Scherereien machen. Ich würde sofort ab morgen ins Mannschaftslogis zum Essen gehen.
Als Fräulein Cornelius nun so unvermutet vor mir stand, stotterte ich meinen Dank hervor, daß sie an mich gedacht hatte, und wollte ihr gerade sagen, daß Hogendahl bei den Mechanikern im Vorschiff sei. Aber im gleichen Augenblick kam er um die Ecke gefegt, um irgendeine Unterlage zu holen. Als er Fräulein Lydia sah, stoppte er so plötzlich ab, als ob er auf ein Hindernis gelaufen sei, und brachte nur ein kurzes und nicht gerade höfliches »Eh?« heraus, gerade, als hätte er sagen wollen: >Was, zum Teufel, suchen Sie denn bei mir?< Ich bekam aus Scham für ihn rote Ohren. Wie konnte ein so gescheiter Mensch wie er nur derart grob sein?
Fräulein Lydia streckte ihm einen blauen Heftordner entgegen. »Das soll ich Ihnen im Auftrag von Don Saraiva übergeben«, sagte sie kühl.
»Geht das etwa wieder mit schriftlichen Anordnungen los?« fragte er gereizt.
»Davon weiß ich nichts«, antwortete sie achselzuckend, »soviel mir bekannt ist, handelt es sich um die Milliarden, die Sie sich mit Herrn Saraiva teilen wollen.«
»Ha?« machte er und sah dabei nicht besonders intelligent aus. »Na, geben Sie schon her.« Hogendahl riß ihr den blauen Ordner fast aus der Hand. Ich hatte den Eindruck, Fräulein Lydia wüchse plötzlich in die Höhe. Jedenfalls machte sie ein Gesicht, als betrachte sie Hogendahl vom Eiffelturm herab. Und dann drehte sie sich kurz um und rauschte davon.
»Sie waren ja wieder einmal mächtig liebenswürdig zu dem Fräulein«, knurrte ich ihn an.
»Ach, halt die Klappe!« schnauzte Hogendahl und verschwand in seiner Kabine, wo er den Ordner auf den Tisch feuerte.
Ich eilte hinter ihm her. »Neugierig sind Sie gar nicht«, stellte ich fest.
Er zog mit den Lippen eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an. Das Streichholz in seiner Hand flackerte unruhig, und es dauerte eine kleine Weile, ehe der Tabak aufglühte.
»Na, dann wollen wir mal sehen, was uns der hohe Herr mitzuteilen hat«, murmelte er und schlug den blauen Deckel auf. Der Ordner enthielt Stücker zehn oder zwölf engbeschriebene Schreibmaschinenseiten. Hogendahl ließ die Blätter durch die Finger schnalzen und warf einen Blick darauf.
»Schau einer an!« sagte er schließlich. »Das nenn ich wirklich eine Fleißaufgabe von dem alten Flibustier. Sieh dir das mal an...« Damit warf er mir den Heftordner herüber.
Es waren lauter Listen, und sie enthielten — chronologisch vom 4. Juli 1502 bis zum 20. Mai 1922 geordnet (mit der spanischen Galeone >Golden Hind< beginnend und mit dem britischen Dampfer >Egypt< endend) — die Namen und Untergangsdaten von schätzungsweise mindestens tausend Schiffen, die zwischen Haiti und der Biskaya gesunken waren. Kein Wort von den Tragödien, die sich dabei ereignet hatten, dafür aber um so genauere Angaben über die Ladung. Und die hatte fast ausschließlich aus Barrengold, Silber oder geprägten Münzen in Millionenwerten bestanden. Da waren zum Beispiel auf geführt:
>30 portugies. Galeonen, Juni 1572 gesunken bei Campos, Wert: 120 Millionen Dollar.
Pereira, span. Galeone, 11. 7. 1586 — Ramsgate; 16 Millionen Dollar. San Fernando, span. Gal., 13. 3. 1597 — Pte. du Cap, 20 Millionen Dollar. II span. Gal., 8. 9. 1628 — Matanzas-Bai Kuba; 30 Millionen Dollar. Santa Cruz, span. Gal., 13. 8. 1680 — Manta-Bai Peru, 13 Millionen Dollar...<
Und so ging das über genau elf engbeschriebene Seiten weiter und weiter, mit Dollarmillionen, von denen einem richtig schwindlig werden konnte. Alle diese ungeheuren Schätze lagen auf dem Grund der Ozeane und Meere und warteten darauf, gehoben und ans Tageslicht gebracht zu werden.
»Lieber Himmel«, sagte ich ganz betäubt, »und Sie glauben, daß alles stimmt, was hier geschrieben steht?«
»Daran gibt es wohl nichts zu zweifeln«, sagte Hogendahl. »Was Don Saraiva anfaßt, macht er richtig und läßt es sich auch etwas kosten.«
»Wo er diese Angaben wohl herhaben mag?«
»Woher wohl? Aus alten Admiralitätsakten, aus spanischen und portugiesischen Archiven und in neuerer Zeit aus den Verlustlisten von Lloyds. Aber was soll’s, drei Viertel oder vier Fünftel dieser Schätze liegen in den schwärzesten Tiefen oder sind nach Jahrhunderten so tief unter Schlamm und Schlick und Sand begraben, daß sie für ewige Zeiten verloren sind.«
»Nun ja, aber wenn man auch nur an zehn oder
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