Seelenverkäufer
vielleicht als Admiral und Seeheld leisten, jedoch nicht als Neger, der vorher nichts getan hat, als saufen und gut leben.
Doch das Los, als erster zu tauchen, traf nicht den Neger Nelson, sondern einen von den beiden Engländern, den Burschen übrigens, der mit der eingeschlagenen Nase an Bord gekommen war. Er war der stärkste Mann von den sechsen, hatte auch schon als Taucher gearbeitet und war ein richtiger Schlagetot von einem Kerl, gut einsachtzig groß, mit einem Stiergenick und riesigen Pratzen. Er hatte ein Kinn wie eine Schublade, aber glücklicherweise nicht allzuviel Hirn im Schädel, denn wer weiß, wozu es gekommen wäre, wenn sie ihm Zeit gelassen hätten, sich zu besinnen.
Sie ließen ihm zum Nachdenken jedoch keine Zeit, sondern hievten ihn wie einen Schlachtochsen in den schweren Panzer mit den Bleischuhen hinein und schraubten den Helm über ihm zu. Vier Mann stützten ihn, dann wurde eine Stahltrosse in den Helmring eingehängt, der Dunkimann schloß das Sauerstoffgerät an, lief zur Dampfwinde, hob den Mann an und ließ den Hebelarm des Krans über die Reling schwenken. Da schwebte der Engländer nun eine kleine Weile außenbords und wurde langsam in die ziemlich ruhige See hinabgelassen. Man konnte den Helm noch zwei oder drei Meter sinken sehen, dann verschwand er, und die Trosse fiel langsam über die Rolle, während die Trommelwinde an Bord knarrend und kreischend Stück um Stück und Meter um Meter Seil gab.
Dieses Kreischen und Knarren der Winde war schlimm anzuhören, und mir klebten die Kleider an der Haut. Wir hatten alle Mann die Arbeit niedergelegt. Auch Hogendahl war aus seiner Werkstatt gekommen und stand an der Achterluke, wo es zur Schmiede hinunterging. Er hielt eine kalte Zigarette zwischen den zusammengekniffenen Lippen, und in seinem mageren Gesicht spielten die Muskeln über den Backenknochen. Immer noch spulte die Trommelwinde Seil ab. Es mochten, seit der Taucher unter der Wasseroberfläche verschwunden war, zwanzig oder mehr Minuten vergangen sein: mir kamen sie wie Stunden vor. Und dann war es plötzlich totenstill an Bord. Die Winde rollte nicht weiter ab. Es herrschte atemloses Schweigen, und mich zog es nach vorn, obwohl mir die Haare zu Berge standen. Ich sah das Gesicht von Fräulein Cornelius: Es war wie versteinert vor Grauen. Sie hielt ja die Liste mit den Lotungszahlen in der Hand und wußte genau, daß es ein Wahnsinn und ein Verbrechen war, einen Menschen in solche Tiefen hinunterzuschicken.
Don Saraiva stand neben dem Dunkimann an der Winde. Sein Tropenhelm hatte sich ins Genick verschoben, und über sein gelbes Gesicht liefen dicke Schweißtropfen. Er lauschte mit gierigem Ausdruck ins Leere, und aus seinem halbgeöffneten Mund rann ein dünner Speichelfaden über das Kinn herab. In seinen Augen brannte der Wahnsinn, der Wahnsinn einer Besessenheit, wie ich ihn nicht einmal bei Hogendahl erlebt hatte, obwohl der mich mit seiner fieberhaften Arbeitswut doch wahrhaftig genug erschreckt hatte.
Auf einmal gab der Dunkimann dem Mann am Kompressionsgerät und dem Zweiten Maschinisten das Zeichen zum Aufholen. Die Winde begann augenblicklich wieder zu arbeiten, und alle stürzten zur Reling, obwohl doch jeder wußte, daß das Aufholen des Tauchers genau die gleiche Zeit erforderte wie das Ablassen. Nur Hogendahl stand als einziger abseits, noch immer am selben Fleck, die kalte Zigarette unverändert im Mundwinkel.
Die gespannte Trosse wickelte sich langsam auf die Trommel. Wir alle hingen über der Reling und starrten wie gebannt in die Tiefe hinab. Und endlich, nach einer endlosen halben Stunde, blinkte der Kupferhelm im Licht der Sonne auf. Der Kran schwenkte den Taucher über das Deck und senkte sich nieder, und vier Mann rannten hinzu, um ihn in Empfang zu nehmen. Und da schrie der Heini mir zu: »Da! Sieh mal hin, Pitt! Er bringt was mit rauf!«
Wir wurden von Don Saraiva zur Seite gestoßen, er drängte sich zwischen den Leuten durch, und es sah aus, als ob er den Taucher umarmen wolle. Ja, in seinen Händen hing tatsächlich etwas, und er hielt es noch fest und ließ es sich auch nicht entreißen, als er schon längst auf dem Deck zusammengesackt war und als der Helm abgeschraubt wurde. Während der Dunki nach dem Arzt brüllte, erkannten wir alle, daß es ein Buchstabe war, den der Engländer mit heraufgebracht hatte. Ein armlanger und schwerer Messingbuchstabe. Das >T< aus der Mitte des Schiffsnamens >Kentucky Den Engländer zogen sie bewußtlos
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