SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
Möglichkeit in die Hand, wirklich etwas zu ändern und sie verlor sich in Abscheu gegenüber jenen, die zu retten sie soviel durchgemacht hatte. Sie dachte an Jean Luc und seine Familie. Wie selbstlos er geholfen hatte. Die Freundlichkeit. Auch wenn die Vollpfosten immer in der Überzahl sein würden, so durfte sie doch nicht einfach aufgeben und ihnen auch noch den kleinen verbliebenen Rest überlassen. Das hatte schon ihr Vater oft gesagt: Wenn der Klügere ständig nachgibt, gehört den Dummen irgendwann die Welt. Und dann gute Nacht.
Nilah kehrte aus dem Schweigen zurück. Sie hatte einen Entschluss gefasst. Endgültig.
»Die Sprache der Drachen besteht nicht aus Worten, sondern aus Gefühlen.« Nilah nickte. Das hatte schon der Drache in ihrer Seele gesagt.
»Sie sind wie eine Aura, bei deren Anblick man diese empfindet und sie so intensiv wie seinen eigenen Herzschlag spürt. Zu jeder Zeit gab es ein Wesen, dessen Seelentiefe dafür geeignet war, sich mit der meinen zu mischen und somit ein Gleichgewicht zwischen Schöpfer und Schöpfung herzustellen.«
»Dann waren es nicht immer Menschen gewesen, mit denen Du dich ... vermischt hast?« Nilah war irritiert.
»Nein, lange bevor deine Spezies ihren Atem bekam, waren es die Tiere und auch die Pflanzen, die hier an der selben Stelle wie du jetzt standen.« Die Drachin lachte. Ein dunkles volles Lachen. »Ich sehe deine Ungläubigkeit, Nilah. Aber bist nicht grade du der Auffassung, dass Tiere mehr sind als die Menschen ihnen zugestehen wollen? Dass man sie wie fühlende Wesen behandeln sollte?«
»Ja, das stimmt. Aber dass ein Tier eine solche Tiefe besitzt, um das Gleichgewicht der Schöpfung zu erhalten, das verwundert selbst mich.«
»Lass einmal deine Traurigkeit beiseite. Sie ist wie ein Vorhang, hinter dem ein weiterer aus Wut lauert und ein Nebel aus Rache wiederum dahinter. Versperre nicht deine Sicht, die du ausschließlich aus dem Blickwinkel eines heutigen Menschen machst. Hier standen schon Bäume vor mir, Wale, Affen, Raben, Schlangen, Mammuts, ein Säbelzahntiger. Sogar eine Schildkröte betrat meine Seele.«
»Mussten die auch über eine Brücke gehen und in einen Brunnen springen?«
»Nein.« ›War das ein Lachen?‹ »Jede Seele hat einen anderen Weg, doch jede muss erst ihre Angst überwinden, einen Sprung in den Glauben machen. Denn Angst frisst das Leben, Nilah.«
Nilah konnte es kaum fassen. War das die Verbindung zu den allerersten Naturreligionen? Die Weltenschlange aus dem Gilgamesh-Epos, von dem man annahm, dass es die Vorlage für die Bibel war? Die Amazonas-Völker, die den schwarzen Panther verehrten, der nur ein Jaguar mit schwarzen Flecken war, die Wale, Raben und Wölfe, die von den Indianern so geschätzt wurden? Die Schildkröte der Aborigines. Die Bäume der Kelten? Es war kaum zu fassen. Und als der Mensch hinzukam, wurde sein Ebenbild zum Schöpfer erhoben? Und die ganze Zeit, all die Jahrmillionen war es eine Drachin, die hinter diesen Mythen stand? Es war unglaublich, so verwirrend einleuchtend. Und nun reihte sie sich in dieses Band ein? Sie, die kleine sehnsüchtige Nilah van Arten, eine Waagschale der Schöpfung. Sie konnte nichts dafür, aber sie fühlte sich plötzlich ein ganzes Stück größer. Oh, ihr Papa würde aus den Socken kippen.
Dann war es wieder da. Die ganze verdammte Welt würde aus den Socken kippen. Das durfte niemand erfahren ... und Nilah verstand. Es hatte nie jemand wirklich erfahren. Es wurde in verschlüsselten Geschichten weitergegeben. Also würde auch sie hier schweigend hinausgehen. Das Geheimnis bewahren und ihr Blut weitergeben. Ihr Blut? Mit Liran? Holla, dieser Gedanke war noch viel zu groß für sie. Nichts, worüber man jetzt schon grübeln sollte.
»Du sagtest, dass du seit langer Zeit auf mich wartest.« Nilah sah die Frau an, die ihr jetzt noch viel vollkommener vorkam. »Warum ist in all der Zeit niemand mehr hier gewesen?«
Nun war es die Schöpferdrachin, deren Blick härter wurde. Ihr langes Haar aus den sich bewegenden nachtfarbenen Muscheln klirrte leise, als wäre es in Aufruhr. Lange schwieg sie und blickte über die Landschaft ihrer eigenen Seele. Ihre Augen pulsierten wie Quarsare, aber schneller und intensiver.
»Seit die Menschen den Atem erhielten, wurden sie mit zuneh-
mender Entwicklung schwierige Bündnispartner. Je mehr von ihnen mein Antlitz bevölkerten, desto seltener fanden die Auserwählten ihren Weg zu mir. Oft starben sie, bevor ihnen
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