SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
ließ. Der Gedanke, alles könnte anders sein, alle Religionen und ihre manifestierten Ansprüche auf die angeblich so unumstößliche Wahrheit und ihr damit so selbstlos gerechtfertigtes Blutvergießen, wäre nur noch Asche in einem Wind, der aus einer ganz anderen Richtung wehte.
Doch dies setzte einen zweiten Gedanken in Gang. Niemals würde auch nur ein Mensch daran glauben! Jeden Tag wurde man Zeuge, zu was der Glaube fähig war. Er sprengte sich in die Luft, steinigte, verstümmelte, folterte, log, hetzte und hielt dabei die andere Hand auf eine Schrift, die das Paradies versprach.
Nein, sie würden erneut zu heiligen Kriegen aufrufen, doch dieses Mal nicht gegen sich selbst. Sie hätten für kurze Zeit einen gemeinsamen Feind. Die Wahrheit. Und jene, die sie verkörperten.‹
Es wäre das Ende einer Weltanschauung. Die Religionen würden unter dem Gewicht eines Schöpferdrachens zerschmettert werden. Erst recht, wenn es sich dabei um eine Drachin handelte. Sicherlich hatten viele Naturvölker eine andere Sicht und hatten die Erde schon immer als eine Mutter bezeichnet. Aber alle anderen würden dies niemals akzeptieren. Und noch mehr. Sie würden diesen Frevel bis aufs Blut bekämpfen. Mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Gewalt wäre die altbekannte Antwort auf solch eine Offenbarung.
Was sollte sie jetzt tun? Nilah war nie sonderlich stolz darauf gewesen, zu der selbsternannten Krönung der Schöpfung zu gehören. Früh hatte sie diese Könige zu verachten gelernt, weil sie so gar nicht königlich handelten, sondern sich wie Tyrannen einfach alles nahmen. Zerstören, weiterziehen, wieder zerstören. War das die Essenz der Menschheit? Sie erinnerte sich gut, als sie an der Schule den Film "Earthlings" zeigen wollte. Joaquin Phönix der Sprecher, die Musik von Moby. Die Doku zeigte sehr deutlich, dass die Welt ihre Menschlichkeit längst verloren hatte. Auf taube Ohren war sie gestoßen, auf Anfeindungen. Sie wollten es nicht sehen. Die Unwissenheit machte sie viel glücklicher. Die Leute machten sie so oft so traurig und bitter. Sie verstand sie nicht und sie fragte sich immer, wie sie selbst in dieses Bild passen sollte. Freundschaften hatten nie lang gehalten. Freunde, was waren Freunde? Sie hatte ihren Vater, seine Kollegen, die Freunde der Familie. Peter. Mit den wenigsten ihres Alters konnte sie etwas anfangen. Sie war schon immer eine Einzelgängerin gewesen.
Und nun lag das Schicksal eben dieser Menschheit und des ganzen Planeten in ihren Händen. Ausgerechnet in ihren! Einer Veganerin. "Ach du Scheiße, eine von diesen Körnertussis soll das machen? Gibt es denn niemand anderen? Mir stehen Sandalen aus Gras so schlecht." Nilah grinste.
Wäre sie wirklich in der Lage alles zu ändern, indem sie ihre Seele der Schöpferdrachin gab?
Aber was würde geschehen, wenn sie es nicht tat? So oft hatte sie sich vorgestellt, dass die Erde besser dran wäre, wenn es die Menschen nicht geben würde. Wenn die Natur das zurückbekam, was ihr seit Milliarden von Jahren schon immer gehört hatte - ihren Frieden. Nilah hatte in diesen Überlegungen nie davor zurückgeschreckt, dass damit auch ihre eigene Existenz verlöschen würde.
Und doch, nun, da sie zum ersten Mal die Macht der Liebe gespürt hatte, die Wucht der Sehnsucht, die darin verwurzelt war, wollte etwas in ihr diesen Weg weiter gehen. So weit, bis die Zeit dieses Bündnis aufheben würde, durch ihren Tod.
Sie dachte an Liran und ein gewaltiges Gefühl von Zugehörigkeit durchströmte sie. Er wusste nichts von ihrer Zerrissenheit. Er hatte sie so tapfer beschützt, bis hierher gebracht und sie dachte ernsthaft darüber nach, nein zu sagen. Er würde es nicht verstehen. Sie würde ihm damit das Herz brechen und das konnte sie nicht.
Dieser Sunabru würde sich totlachen. Er hatte soviel aufgeboten, um Nilah in die Finger zu bekommen. Dabei hätte er einfach nur fragen müssen. Hey, willst du mit mir zusammen die Menschheit vernichten? Oh, ja klar, das hatte ich schon immer vor. Schön, dass endlich mal einer fragt, der da auch Ahnung von hat.
Plötzlich schämte sie sich ob ihrer eigenen Bitterkeit. Was war nur los mit ihr? Sie hatte immer etwas verändern wollen, dazu war sie ja schließlich in diesen ganzen Organisationen, schrieb Briefe und Mails, trug bedruckte T-Shirts, sprach pelztragende Frauen in der Innenstadt an, ob sie auch die Haut ihres Mannes so tragen würden ... doch nun gab ihr ein unvorstellbar mächtiges Wesen die
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