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SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

Titel: SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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einen Schritt, die Luft wurde wärmer. Einen zweiten, der Wind kam auf und begann nach Weite zu riechen. Einen dritten und er trat aus einem klebrigen Nebel in einen weiten Sonnenaufgang, der wildes, rot glühendes Feuer durch die Wolken trieb.
    »Mir ist so kalt«, murmelte Nilah. »Du bist so groß und ich … ich bin so klein …«
    »Ich bin da,Nilah, ich bin da ...«, antworte Liran.
    Er verspürte Angst. Der Gedanke behagte ihm nicht, aber sich selbst anzulügen, war einfach nicht richtig.   Er hatte auf Schlachtfeldern gestanden, dennoch grauste es ihm mehr, dass Nilah ihn für diese Tat hassen könnte, als vor dem Tod. Seit Stunden hockte er an der Höhlenwand und betrachtete ihre ruhelosen Augen, wartete, dass die Medizin aus ihrem Körper verschwand, die Atticus ihr eingeflößt hatte. Noch immer griff ihre Hand um den Zipfel der Decke. Manchmal schloss auch er die Augen, um sich besser zu fühlen. Doch es wurde nur schlimmer. Sobald er das tat, kam die Leere.
    Ihad, die Eule, Dahi und schließlich Akkosh. Alle waren sie fort. Dann schlug er schnell die Augen wieder auf und sah sie an. Sie, deren Schild er war.
    Er war eingenickt, nur kurz, aber Nilah war nicht mehr da. Hektisch stand der Krieger auf, taumelte, weil ihn Schwindel erfasste. Er schüttelte den Kopf, trat wankend aus der Höhle.
    Da war sie. Ihre Silhouette warf einen langen Schatten, der dunkel war in den Farben des heranbrechenden Abends.
    Er näherte sich, aber nicht zu nah. Sie neigte leicht den Kopf, wusste, dass er da war.
    »Das ist nicht Irland.« Sie hob den Arm, der auf einen Horizont voller Berge deutete.
    »Nein.« Er verschluckte sich fast an dem Wort.
    »Mein Papa?«
    Er hatte lange über diese Frage nachgedacht und nur eine Antwort darauf gefunden. »Noch nicht. Bald.«
    Die Silhouette nickte. Müde, schwach. Als hätte sie es geahnt, gewusst.
    Er wollte, nein, musste etwas sagen.
    »Nilah … ich …«, sie hob die Hand. Oder war es eine Faust? Er brach ab, blieb stumm.
    Dieses Schweigen sollte mehr als acht Wochen dauern. Und acht Wochen lang starb er darin.
    Sie hatte keine Sprache mehr, keine Fragen. Nur noch die lähmende Stille eines Menschen, der versuchte, den Kopf höher zu halten als die
     
    Trauer, die ihn umgab.  Trauer machte müde. Todmüde. Nilah zog es aus allem, das sie finden konnte. Erinnerungen, ihren Knochen, selbst das Haar war ihr zu schwer, also schnitt sie es ab, warf es weg wie eine überflüssige Last.
    Sie verlernte Worte zu bilden, denn die waren aus Asche, machten die Zunge hohl, wie nie Gesagtes. Weil sie alles jemals Gesagte zudeckten, weil es unmöglich geworden war, sie noch einmal auszusprechen.
    Sie atmete, sie ging, sie kletterte, sie sah, sie roch, aber nichts davon drang noch in sie, es verharrte vor ihr, um dann schleunigst das Weite zu suchen. Denn sie war ab jetzt eine leere Begleiterin. Eine, die nichts mehr suchte, nichts mehr willkommen hieß. Sie war ab jetzt ein Meer, das Schiffe verschlang, der Sturm, der nicht fragte, wessen Seele er da eigentlich hinabzog.
     
    Der Krieger ging vor ihr, sie folgte, aber nur weil sie den Weg nicht kannte. Ihr Blick bohrte sich in seinen Nacken, spitz wie Dornen. Nachts träumte sie von Häusern und Straßen, die sich alle ineinander wölbten. Labyrinthe. In einem Flur lachte ihre Mutter, während sie in einem weit entfernten Zimmer laut um Hilfe rief. Dann wuchsen all diese Gebäude zu einem zusammen, bis es keinen Ausweg mehr gab, als zu rennen, zu rennen und zu fliehen,
    Jeder Tag war eine Tortur. Und die Dunkelheit war ein ewiger Gefährte.
    Sie schwieg, es war das Einzige, was sie tun konnte, ohne müde zu werden. Liran führte sie durch Landschaften, für die Peter Jackson getötet hätte. Schmale Pässe taten sich vor ihr auf, schneeverweht, steinern und von solch gigantischen Ausmaßen, dass sie dabei schlucken musste. Sie folgte ihm. Sein Umhang wehte im Wind, wenn er stehen blieb, einen Weg suchte. Das lange, schwarze Haar in einen Zopf gebunden. Sie hasste sein Haar.
    Nilah schwieg.
    Jede Nacht fand der Krieger eine Höhle, einen Überhang, irgendetwas, als wäre er schon einmal hier gewesen. Er suchte nach Holz, oder es war schon da, entzündete es aus seiner Hand. Sie sah, wie die blauen Flammen in die kalten Äste eindrangen. Nur Augenblicke später loderten sie auf, spendeten Licht, machten sie warm. Sie hasste ihn auch dafür.
    Es war ein Gedanke, der fressen konnte. ›Du bist zuerst zu ihm gelaufen!  Zuerst zu ihm ... zu ihm,

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