SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
ihm aber verwandelte sich die Welt wieder in ihr jetziges Gefüge.
So lösten sich ganze Dörfer im Nebel auf, Hafenanlagen versandeten, Fischerboote tauchten ins Meer, Menschen verschwanden einfach. Keine sterbliche Seele sah, wer dort über die Insel schritt.
Bald war da nur noch Fels. Geformt von den Jahrtausenden. Das alte Wort dafür war An Bhoireann, steiniger Ort , oder wie die Menschen heute sagten: The Burren. Eine weite Karstlandschaft, zerfurcht, voller Risse, in denen das Gras der Insel dunkel und trotzig wuchs. Zäh und ewig.
Die Gestalt wanderte dahin. Unberührt von Ort und Zeit. Manchmal kniete sie nieder, legte die Hand auf das Land, als wolle sie dessen Puls fühlen, sich an etwas erinnern, das bald nicht mehr da sein würde. Dennoch verweilte sie nicht.
An einem Punkt aber war selbst die Stille still. Endloser grauer Fels, durchzogen von grünen Adern. Hügel, geformt aus Ringen, die Spiralen ähnelten. Ein Dolmen stand dort. Einst erbaut von einem Königssohn, als Unterschlupf für seine einzige, verbotene Liebe. Trost und Schutz sollte sie finden auf ihrer Flucht. Jede Nacht sollte sie ein Dach über ihrem Haupt haben. So ging die Legende. Ihre Namen waren längst vergessen.
Unter der Deckplatte war das Siegel. Die Gestalt fand es, es war eine in den Stein gravierte Hand, die nur aus einer einzigen Linie geformt war. Ein Ruck, der Stein sank und gab eine Mulde frei. Ein Bündel lag dort.
Die Gestalt schlug das alte Tuch beiseite. Ein Bogen kam zum Vorschein, eine Sehne und ein Pfeil. Seltsame Kerben liefen über den schneeweißen Schaft, mit den Federn einer Schneeeule gleich. Es war eine vergangene Sprache, geschrieben mit Magie, in Holz verewigt, das lange vor diesem Moment gefertigt worden war. Es hatte gewartet.
›Dieser Weg ist der letzte, den du gehen kannst. Danach wird es kein Zurück mehr für dich geben, denn es bedeutet, dass die Drachin gefallen ist. Doch musst du beschützen, was beschützt werden muss. Die Schöpferseele. Dieser Pfeil ist die neunte Welle . Er kennt nur eine Richtung. Wirst du ihn gehen, wenn es soweit ist?‹
»Ja.«
Der Krieger blickte auf die schlafende Nilah hinab.
Das waren damals Enyas Worte gewesen. Eindringlich und nur für ihn bestimmt. Den Gezeitenkrieger.
Zwei Zauber hatte die Druidin für ihn gewoben. Einen, um der einen Seele folgen zu können, den GezeitenZauber, und einen, um sie auf ewig zu verstecken. Den einen hatte er benutzt, um in Nilahs Zeit zu gelangen, treibend in einem Boot aus Stein, jetzt aber …
Dies war der verbliebene, der WeltenZauber .
Eigentlich sollte sein Atem längst im Wind treiben oder im Fluss der Zeit. Bei seiner Schwester, seinen Eltern. Doch er war hier, bei ihr.
Der Krieger spannte die grasgrüne Sehne in die Kerben des laubgrünen Bogens. Über zweitausend Jahre und er knirschte nicht einmal. Er war nie ein guter Schütze gewesen, ›Ril sollte dies tun‹, dachte er. Er legte die geschlossene Faust an die steinerne Pfeilspitze. Die blauen Feuerzeichen loderten über seine Finger, leckten an dem Holz, entfachten es. Der Pfeil entflammte, nur so öffnete er den Weg.
Die steinerne Spitze zeigte in ihr Reich. Die Eulenfedern lagen an seiner Wange, kein Zittern, keine Wahl. ›Nur loslassen, das ist alles, was du tun musst.‹ Er ließ los.
Ein heller Strich, schnell wie ein Gedanke, verschwand einfach im Nebel. Es war verrückt das anzusehen, denn der Pfeil schien diese Welt regelrecht mit sich zu ziehen. Es entstand ein verwirrender Wirbel dahinter, der die Wirklichkeit verschob, an den Seiten gefaltet wie ein durchsichtiger Vorhang. Die Hügel rückten auseinander, um respektvoll Platz zu machen für die Magie. Gleichzeitig strömte dieser Bewegung eine fremde Energie entgegen, die bereits darauf gewartet hatte. Für einen Moment waberte das Hier und Jetzt, floss auseinander, nur um, leicht versetzt, wieder ineinander zu greifen. Als würden sich zwei alte Bekannte die Hände reichen, die sich lange nicht mehr gesehen hatten. Dieses Bild verstummte ganz plötzlich, anders konnte man es nicht erklären, als der Pfeil sein Ziel erreicht hatte. Alles kehrte an seinen Platz zurück, dort wo es hingehörte. Die neunte Welle konnte überschritten werden.
Liran senkte den Bogen, streifte ihn sich über die Schulter. Sein Herz schlug hart und schnell. Er machte schnelle Fäuste, um sich zu beruhigen. ›Nun denn.‹
Der Krieger nahm Nilah in seine Arme, ihr Gewicht war nur ein loses Blatt für ihn. Er machte
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