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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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griff sie nicht an. Er bedrohte sie nicht einmal.
    Er weinte.
    Er beugte sich über sie, legte ihr den Kopf auf die Schulter und umklammerte sie, während seine Tränen ihr das Shirt durchnässten.
    Was sollte sie jetzt damit machen? Ihn umarmen und ihm etwas Nettes sagen? Erst erpresste er sie, und jetzt sollte sie ihm noch auf die Schulter klopfen, als wäre sie sein verdammtes Kindermädchen, oder wie? Mit so was hatte sie keine Erfahrung. Was machten die Leute denn, wenn sie jemanden trösten wollten?
    Am Ende entschied sie sich dafür, ihm ein bisschen den Rücken zu tätscheln, während sie sich endlos weit weg wünschte. Obwohl er tatsächlich ganz gut roch.
    Zum Glück dauerte es nicht lange. »Es tut mir leid«, sagte er an ihrem Nacken. »Ich ... das ist alles ein ziemlicher Schock für mich, verstehen Sie? Ich wollte nie, dass ... Wenn Horatio wirklich wieder Menschen umbringt, wenn er diese Frauen getötet hat, dann ist das tatsächlich meine Schuld, oder? Wegen des Symbols und weil ich ihm das Leben gerettet habe?«
    Wäre er ihr Freund gewesen, hätte sie ihm vielleicht den Gefallen getan, ihn anzulügen. Aber er war nicht ihr Freund. »Ja.«
    »Das habe ich doch alles nicht gewollt.« Er seufzte. Seine Umklammerung lockerte sich etwas, aber er ließ sie nicht los. »Ich bin vielleicht ein Arschloch — ich würde Ja sagen, nein, widersprechen Sie mir nicht, aber das hatten Sie sowieso nicht vor, oder? Ein Mörder bin ich aber ganz sicher nicht. Ich will nicht wieder schuld daran sein, dass Menschen sterben.«
    »Dann helfen Sie mir, die Sache zu beenden.« Sie wünschte, er würde sie loslassen. Seine Stirn drückte schmerzhaft gegen ihr Schlüsselbein.
    »Ich begreife nicht, wie ich Ihnen helfen soll.«
    Seine Armmuskeln fühlten sich größer an, als sie aussahen, fest und elastisch unter dem teuren Jackett. Sie packte sie und schob ihn gewaltsam von sich weg. »Sie wissen doch, wo er steckt, oder? Wo kann ich ihn finden? Wenn wir ihn haben, haben wir die anderen auch. Die Mädchen, meine ich. Wir können sie befreien.«
    »Ich kann nicht.«
    »Doch, das können sie. Der Älteste Griffin meinte, sie seien sehr begabt.«
    »So was mache ich nicht. Nicht mehr.«
    »Haben Sie deshalb hier im Haus keine echten Geister beschworen? Dazu wären Sie doch fähig - und einfacher wäre es obendrein gewesen, oder?«
    »Ich ... Ja. Das ist der Grund.«
    »Reißen Sie sich zusammen. Ich brauche Ihre Hilfe. Sie kennen ihn, Sie sind sein Freund. Vielleicht können wir den Fall lösen, ohne dass jemand zu Schaden kommt.«
    »Lassen Sie ihn los.«
    Arden Pyle stand in der Bürotür. Das blonde Haar hatte sie zu einem schlampigen Pferdeschwanz gebunden, und ihr schwarzes Shirt schlabberte mehr denn je an ihr herum.
    Aber das registrierte Chess nur nebenbei. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, auf die Pistole zu starren.
    Fletcher ließ Chess los und drehte sich um, während er langsam die Hände hob, als wären es Flaggen in der Morgendämmerung. »Arden ... Arden, Schatz, leg die Waffe weg.«
    »Du hast es versprochen. Du hast gesagt, du würdest dich um uns beide kümmern.«
    »Und das werde ich auch, aber das wird ein bisschen schwierig, wenn du mich erschießt, oder?«
    »Dich will ich ja auch nicht erschießen«, sagte das Mädchen.
    Diese Ankündigung verlangte eigentlich nach einer halbwegs engagierten Reaktion, aber zu mehr als müder Wut konnte Chess sich nicht mehr aufraffen. Nach allem, was geschehen war, spielte das doch jetzt auch keine Rolle mehr, oder? Sollte das Mädchen sie doch erschießen, bitte, nur zu.
    Obwohl sie doch ein bisschen sauer war, dass sie hier wegen Oliver Flechter in Gras beißen sollte. Nur weil er anscheinend ... oh. Das war zum Kotzen.
    »Verdammt, Fletcher«, murmelte sie. »Sie ist erst vierzehn, Sie blödes Arschloch.«
    »Ja, und ... oh, nein. Sie ist... also, so krank bin ich nun wirklich nicht, Miss Putnam. Ich bitte Sie.«
    »Haltet die Klappe!« Die Pistole zitterte in Ardens Hand. Chess löste den Blick von der Waffe und bemerkte, wie das Schlabbershirt über den Bauch des Mädchens fiel. Über den leicht gewölbten Bauch ...
    Sie war schwanger. Schwanger mit vierzehn. Plötzlich fühlte Chess sich ihr sehr nahe. Kein Wunder, dass Arden hier mit der Waffe in der Hand vor ihr stand, kein Wunder ... Kein Wunder, dass sie ihre Mutter damals in der Nacht im Schlafzimmer angegriffen hatte. Fletcher war nicht in der Stadt gewesen, aber trotzdem hatte sich jemand ins

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