Seelenzorn
Geschäft. Vielleicht haste ja die anderen Frauen gespürt?«
»Nein. Das habe ich zuerst auch vermutet, aber diese Energie war ... schwärzer, wenn du verstehst, was ich meine. Sie hat sich einfach nicht normal angefühlt. Und sie hat sich nicht angefühlt, als ob eine von den Kolleginnen sie hervorgebracht hätte. Einmal war sie zu mächtig. Und dann hat sie sich auch noch männlich angefühlt.«
Komisch, in der Nacht selbst hatte sie gar nicht darüber nachgedacht, aber es stimmte. Die Magie hatte sich männlich angefühlt, zu scharf und zu aggressiv für Frauenmagie. Selbst zu einer Frau wie Red Berta hätte sie nicht gepasst.
»Wusste gar nicht, dass du das unterscheiden kannst.«
»Jep. Jeder hat eine etwas andere Magie, die sich ein bisschen unterschiedlich anfühlt; ist wie ein Fingerabdruck. So wie auch jeder seinen eigenen Geruch hat. Ist eben alles Chemie, verstehst du? Bei einem Zauberspruch von mir würde sich die Energie nicht anfühlen wie deine oder die von jemand anderem. Sie ist einzigartig.«
»Und kannst du dadurch sagen, wer's war?«
Sie nickte. »Meistens schon, wenn ich etwas habe, womit ich es vergleichen kann. Bei den Lamaru zum Beispiel war die Energie ganz durcheinander, weil so viele Leute an dem Zauber mitgewirkt haben, also konnte ich sie nicht identifizieren. Aber wenn es um einen einzelnen Zauberer geht, ja, dann könnte ich sie zuordnen.«
»Coole Sache, das, Chess. Du bist echt - na, eben cool.«
Sie ließ sich übertrieben viel Zeit damit, die Tüte mit der Feder in einem Seitenfach ihrer Handtasche zu verstauen, damit Terrible nicht sah, dass sie rot geworden war.
»Danke.«
»Wusste gar nich, dass Vögel auch im Winter Federn verlieren«, sagte er und stand auf. Als sie aus der Hocke hochkam, schmerzten ihr die Beine.
»Manche schon, das hängt vom - nein. Du hast recht. Virginia-Uhus kommen im Winter nicht in die Mauser. Das ist ihre Paarungszeit.«
»Is also nich einfach so von selbst ausgefallen, hm? Hat jemand ausgerupft.«
»Na ja ... vielleicht ist die Eule auch irgendwo hängen geblieben oder so, aber die Wahrscheinlichkeit ist schon ziemlich hoch, dass die Feder ausgerupft wurde.«
Sie nahm die Taschenlampe wieder an sich und leuchtete die Umgebung ab, auf der Suche nach einem Platz, wo der Vogel gelandet sein konnte. In der Gasse gab es allerhand Scharfkantiges, aber nichts sah so aus, als könnte ein Vogel daran eine Feder verlieren.
»Das ist doch was Ernstes, oder? ’ne Feder auszureißen? Meinste, das hat was mit dem Fall zu tun?«
»Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung. Einen Psychopomp zu verletzen ist kein so schwerer Verstoß, wie ihn zu töten, aber es war vermutlich sowieso ein Unfall. Man kann die Federn zwar in einem Ritual verwenden, aber ich kenne kein einziges, bei dem man sie am Ende zurücklässt oder wo sie nicht im Lauf des Rituals zerstört werden. Weil man sie nämlich verbrennt oder so.«
»Hey, guck mal her.« Terrible schob ein paar Kisten beiseite und bückte sich. Im Licht der Taschenlampe blinkte eine Spiegelscherbe, die er in die Höhe hielt. Chess sah sofort das Leder, das um die untere Hälfte gewickelt war und die Scherbe in ein improvisiertes Messer verwandelte. »Hat Daisy gehört«, sagte Terrible.
»Woher weißt du — oh. Sie war eine Bekannte von dir, das vergesse ich immer.«
»Kenn sie alle.« Er drehte das selbst gebastelte Messer hin und her und betrachtete es gründlicher, als wohl eigentlich nötig war. »Sie war ’ne Gute, die Daisy. Hübsche kleine Maus.«
»Es ... es tut mir leid. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ...«
Er zuckte die Schultern; wenn man in Downside Leute zu nahe an sich heranließ, war man selber schuld.
»Hab sie nicht gut gekannt. Aber blöd war sie nicht, die Daisy. Sieht aus, als hätt der Geist wen dabeigehabt, hm? Schnappst dir ja keine Waffe gegen was, was gar nicht da ist.«
Chess nahm ihm das Spiegelmesser aus der Hand. »Es sei denn, es ist ihr einfach aus der Handtasche gefallen.«
Er schnaubte. »'ner Nutte fällt nicht einfach so was aus der Handtasche, Chess.«
»Oh. Na gut. Aber - wo war denn ihre Handtasche überhaupt? Ich hab sie nicht gesehen, du? Hat sie eine Kollegin an sich genommen?«
»Glaub ich nich. Hätten sie sicher gesagt, wenn sie sie gehabt hätten.« Er legte die Stirn in Falten. »Da bewahren sie alles drin auf, was sie haben. Ihren ganzen Besitz, weißt du?«
»Geld?«
»Ja, was sie nicht an Red Berta zahlen, die es an Bump abdrückt, aber ... mit
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