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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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benutzen; er wurde von einem wütenden, pistolenschwenkenden Ehemann ertappt, als er gerade eine Unterwäscheschublade durchwühlte, und wurde prompt für einen perversen Einbrecher gehalten. Noch Monate später fand er auf Schritt und Tritt Höschen, einmal sogar an seiner Autoantenne.
    Sie konnte sich ziemlich genau ausmalen, was ihr blühte, wenn sie im Haus der Pyles erwischt wurde. Urgs.
    Allerdings konnte sie sich auch nicht die ganze Nacht an diese bescheuerte Wand drücken. Nachdem auf ihrer Armbanduhr fünf Minuten verstrichen waren, beschloss sie, dass sie die Nase voll hatte. Sie bekam sowieso schon Kopfschmerzen von der verkrampften Haltung.
    Sie suchte mit der Taschenlampe die Decke ab, fand aber nichts, nicht mal ein Spinnennetz in einer Ecke. So weit also keine Überraschungen. An der nächstliegenden Wand entdeckte sie dann einen schmalen Schattensaum, der sich als Wandschränkchen entpuppte.
    Bleiche, Desinfektionsmittel, Allzweckreiniger, Fugenweißer, ein Vorrat an desinfizierenden Toiletteneinsätzen, die das Wasser blau färbten - warum wollten die Leute bloß, dass ihre privaten Badezimmer wie öffentliche Toiletten aussahen, wenn man doch auch Einsätze bekam, die das Wasser nicht färbten? Bürsten, Schwämme, Handschuhe ... Das ganze Schränkchen stank nach Bleiche und Reinigern, als ob eine Flasche ausgelaufen wäre. Ihr wurde schwindelig, und es brannte in den Augen.
    Das Spektrometer gab rund um das Waschbecken, das inzwischen wieder glänzend weiß war, besonders viele Signale von sich. Chess beugte sich vor und war im Begriff, in den Abfluss zu leuchten ...
    Und machte vor Schreck einen Satz zur Seite, weil geradewegs hinter ihrer rechten Schulter ein Gesicht im Spiegel aufblitzte.
    Die Taschenlampe fiel, kollerte klappernd durch das Waschbecken, rollte über den Rand und fiel schließlich zu Boden. Chess drehte den Kopf nach allen Seiten, aber es war niemand zu sehen.
    Sie hatte sich das nicht eingebildet. Es war das Gesicht einer Frau gewesen, ein wutverzerrtes Gesicht mit verdrehten Augen, verfilzten, schulterlangen Haaren, gefletschten Zähnen ... Chess schauderte, versuchte, sich zu beruhigen, und schauderte aufs Neue.
    Doch das Schaudern hörte gar nicht mehr auf. Ihre Hände schienen ihr nicht mehr zu gehorchen. Sie wollte sich das Haar aus dem Gesicht streichen und sich die Stirn wischen, aber sie zitterten, als würde sie von einem Anfall geschüttelt.
    Sie schlang die Arme um sich. Seit wann war es hier drinnen so kalt? Der Marmor in ihrem Rücken ließ ihr die Wirbelsäule gefrieren. Sie konnte sich nicht rühren, konnte nicht genügend Luft in die Lungen saugen.
    Ein kaum vernehmliches Geräusch aus dem Schlafzimmer. Sie wusste nicht, was es war, aber als sie sich herumdrehte, sah sie eine durchscheinende Gestalt sichtbar werden ...
    Ihre eigene Umklammerung verursachte ihr Schmerzen am Arm, aber sie konnte nicht loslassen. Die neblige Erscheinung waberte auf der Suche nach ihrer endgültigen Gestalt und nahm dann schlagartig feste Umrisse an.
    Ein Mann. Schwach erkennbare Falten deuteten Hosen und ein weites, in den Bund gestopftes Hemd an. Er hatte sie noch nicht gesehen. Seine Aufmerksamkeit war auf das leere Bett gerichtet, aber sie wusste ohne jeden Zweifel, dass er sie nicht wahrnahm. Er sah dort drüben schlafende Gestalten. So musste es sein, denn er riss die durchscheinenden Arme empor und mit ihnen das scharfe Blatt einer Axt.
    Die Axt sauste herab.
    Chess biss sich so heftig auf die Lippe, dass sie Blut schmeckte, spürte es aber kaum, denn sie machte ganz anderes durch: Ihr war hundeelend, sie hatte eine Mordsangst, schämte sich zugleich dafür und war tief entsetzt, fast hundert Jahre nach der Tat Zeugin eines grauenhaften Mordes zu werden.
    Wieder und wieder fuhr die Axt herab. Chess konnte das Blut förmlich spritzen sehen und den Geruch förmlich ...
    Der Geruch. Der Geruch war wieder da, ein erstickender Fäulnisgestank, bei dem sie würgend in die Knie ging. Am Boden war die Luft nicht besser, es war nicht zum Aushalten. Drei Meter entfernt, am anderen Ende des weitläufigen Bades, lag das Fenster.
    So leise wie möglich griff sie in ihre Tasche und musste ihren ganzen Willen zusammennehmen, damit ihre Hände ihr gehorchten. Dieses Mal war sie vorbereitet. Sie hatte Friedhofserde und Asafötida dabei. Für alle Fälle hatte sie sogar ein paar Pilze eingesteckt.
    Sie würde es mit dem Geist aufnehmen. Sie brauchte nur erst mal frische Luft. Dringend, oder

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