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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück. »Komm doch einfach ’n Moment her und lass dich ’n bisschen wärmen. Dann marschieren wir los.«
    Sie drängte sich mit dem Rücken an seine Brust und ließ sich in die Arme nehmen. So war es wirklich wärmer, das musste sie zugeben, auch wenn es sich komisch anfühlte, ihm so nahe zu sein und nichts weiter zu tun, als herumzustehen. Komisch, aber nicht ganz unangenehm; es war schön, nach dem ganzen Horror vorhin im Badezimmer der Pyles nicht allein zu sein. Sie hatte erst gar nicht herkommen wollen und hätte sich lieber zu Hause unter der löchrigen Bettdecke verkrochen, aber ... es ging um Menschenleben. Frauen waren in Gefahr. Da konnte man gut ein bisschen Bequemlichkeit opfern, fand sie.
    »Also, wer ist dieser Typ noch gleich?«
    »Er heißt Hat Trick, aber den Namen vergisste am besten gleich wieder, klar? Ist gefährlich da, wo wir hingehen, Tülpi. Musst dein Messer bereithalten.«
    »Und warum muss ich noch mal mitkommen ...?«
    »Wen sollte ich sonst mitnehmen? Hab gehört, er könnte was wissen, und dachte, du kommst am besten gleich mit. Vielleicht weiß er was darüber, wo der Geist plötzlich herkommt. Nur dass ich nicht raffe, ob er die Wahrheit sagt oder was. Du schon. Also musst du mit.«
    »Stimmt.«
    Eine Weile gingen sie stumm nebeneinander her. Soweit sie erkennen konnte, befanden sie sich in der Gegend der verlassenen Lagerhäuser, die rund um die Fünfzehnte wie Fliegenpilze aus dem Boden schossen. Sie waren jetzt mitten in Slobags Revier, wo Windspiele aus Blech zur Freude der Besetzer in zerbrochenen Fenstern hingen. Der Wind wehte das misstönende Geklimper zu ihr herüber, dissonant und beunruhigend.
    »Du hast das ganze Zeug mitgebracht, das du immer benutzt, ja?«
    »Nee, Lex, das hab ich zu Hause gelassen, weil es eine richtig schöne Nacht für einen kleinen Spaziergang ist. Natürlich hab ich’s dabei.«
    »Wollt nur sichergehen, sonst nix. Musst doch nicht gleich zickig werden.«
    »Werd ich ja gar nicht. Ich bin nur - es war nur ein Witz.«
    »Okay. Entschuldige.«
    Heimlich verdrehte sie die Augen und ging weiter. Immer hielt er sie für empfindlicher, als sie war.
    Andererseits, vielleicht war sie bei ihm auch empfindlicher als bei anderen Leuten - und das nicht nur, wenn er sie berührte. So sehr sie ihn mochte, das Bewusstsein, dass ihre sexuelle Beziehung auch eine hauchdünne geschäftliche Seite hatte. Sie verschränkte die Arme. Mit dem Thema wollte sie lieber gar nicht erst anfangen, auf gar keinen Fall.
    Sie waren einen halben Block weit gekommen, und ihrem Gefühl nach hefteten sich mit jedem Schritt mehr Augenpaare an sie. Die Fenster auf beiden Straßenseiten waren leer, aber das bedeutete nicht, dass sie niemand beobachtete.
    »Hey.« Er fasste sie am Arm, damit sie stehen blieb, beugte sich zu ihr rüber und küsste sie auf die Stirn. »Wollte dich nicht blöd anmachen, echt nicht. Bin heut Nacht nur ’n bisschen gestresst, das ist alles. Ist aber nicht deine Schuld.«
    Sie zuckte die Achseln. Was sollte sie jetzt tun? Ihm sagen, dass er sich verpissen sollte, und dann alleine nach Hause gehen? Mit ihm darüber zu streiten wäre sowieso Quatsch. »Schon gut.«
    Es kam ihr vor, als gingen sie noch meilenweit, aber in Wirklichkeit bogen sie nach wenigen Häuserblocks links ab, und da hörte Chess die Musik, das heißt, zuerst nur dumpfes Wummern und dann beim Näherkommen eine irrwitzige Mischung aus Techno und den Pixies.
    Dass ihr Ziel der Ursprung dieses Lärms war, daran hatte sie keinen Zweifel. Das Gebäude ragte vor ihnen auf wie ein schattenhafter Koloss, der das Ende der Straße bewachte. Dutzende Fenster, hinter denen es zu brennen schien, starrten sie herausfordernd an. Weitere Feuer züngelten in glühenden Säulen vom Dach empor in den schwarzen Himmel. Der Nachtmarkt.
    »Bereit?«, raunte Lex.
    Nickend schob sie die Hand in die Tasche und umfasste den Griff ihres Messers.
    Was von außen wie ein Großbrand aussah, waren in Wirklichkeit Dutzende Feuer, die in Blechtonnen oder Steinkreisen brannten.
    Ihr trat der Schweiß auf die Stirn. Ihr Herz schlug im Rhythmus von »Wave of Mutilation« mit, das ihr durch den Kopf dröhnte und sie high machte. Entlang der graffitibesprühten Wände lagen auf zerschlissenen Sofas träge Gestalten mit halb geschlossenen Augen oder Pärchen mit halb geschlossener Kleidung. Es stank nach Holzrauch, verkohltem Fleisch und Schweiß, nach saurer Milch und Sex, und über

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