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Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Titel: Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Krahlisch
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bewusst, dass dieser Beruf viele Entbehrungen mit sich brachte. Ich liebte ihn doch. Und ich war mir sicher, dass er der Mann war, den ich wollte. Ich konnte ihn nur als Seemann haben. Entweder ganz oder gar nicht.
    Ich schrieb ihm eine SMS, ohne zu wissen, wann diese bei ihm ankommen würde. Ich entschuldigte mich zusätzlich in einem Brief und nahm mir vor, fortan eine tapfere Seemannsbraut zu sein. Ich schrieb ihm, dass ich wahnsinnig stolz auf ihn sei und ich auf gar keinen Fall wolle, dass er meinetwegen seinen Traumberuf aufgäbe.
    Heribert träumte schon als kleiner Junge davon, Kapitän zu werden. Sein Vater, der ebenfalls Kapitän war und später als Elblotse in Hamburg arbeitete, nahm seinen Sohn auch hin und wieder mit auf die großen Containerschiffe. Der kleine Heribert war begeistert. Bei anderen Jungs wechselt der Berufswunsch hin und wieder. Mal wollen sie Cowboy sein, dann Astronaut oder Profifußballer. Aber Heribert wollte immer nur eines: Schiffe fahren. Heriberts Vater ist mittlerweile pensioniert. Wenn die beiden zusammensitzen, reden sie viel über die Seefahrt. Meistens geht es um die Unterschiede zwischen der Seefahrt früher und der Seefahrt heute. Sie reden darüber, wie es war, als man noch Wochen in einem Hafen lag und eigenhändig Kiste für Kiste in den Laderaum tragen musste. Heute erledigen das Kräne. Kisten sieht man kaum, fast nur noch Container. Die Container sind verplombt. Oft weiß man nicht einmal, was sich darin befindet.
    Heriberts Vater wollte eigentlich nicht, dass sein Sohn zur See fährt. Er wusste, was es heißt, seine Familie und Freunde über Monate zu vermissen. Er wusste, wie hart das Leben in sozialer Isolation sein kann. Ausreden konnte er seinem Sohn diesen Berufswunsch allerdings nicht. Und mittlerweile ist er, da bin ich mir sicher, auch mächtig stolz auf ihn.
    Libyen, 08. 06. 2002
     
    Liebe Nancy,
    heute ist dein Geburtstag. Und ich bin wirklich traurig, dass ich nicht mit dir feiern kann. Ich weiß doch, wie wichtig dir dieser Tag ist. Ich bin heute Nacht extra aufgestanden, um dir als Erster zu gratulieren. Ich ging auf die Brücke, wählte deine Nummer und war so froh, dass es tatsächlich gleich geklappt hat. Nach nur zweimal Klingeln warst du am Apparat. Bei dir war es ganz schön laut. Du hattest Freunde zu Besuch. Die meisten kannte ich gar nicht. Wir haben nur kurz telefoniert. Die Verbindung war sehr schlecht. Ich weiß nicht einmal, ob du dich über meinen Anruf überhaupt gefreut hast. Es kam mir fast so vor, als würde ich stören. Dann hast du geweint, und ich konnte dich nicht trösten.
    Um 5 Uhr morgens habe ich dich noch einmal angerufen. So war es ausgemacht. Doch da habe ich dich dann geweckt. Ich weiß nicht, ob es eine Art Geburtstagsdepression war, auf jeden Fall hast du mich mit Vorwürfen nur so überschüttet. Warum ich dich von den letzten Häfen nicht angerufen oder dir wenigstens Briefe geschickt hätte. In Ländern wie Syrien, Libyen oder Algerien, wo wir jetzt hinfahren, ist das eben nicht so einfach. Es gibt keinen Landgang, man darf kein Geld tauschen, und man kann schon gar nicht telefonieren. Du hast mir nicht geglaubt und mir stattdessen vorgeworfen, dass ich ein Egoist sei.
    Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht für dich da sein kann. Aber so ist das Seemannsleben nun mal. Man ist leider oft nicht da, wenn man gebraucht wird. Ach Nancy, was kann ich nur tun, damit es dir wieder bessergeht? Du musst wissen, dass auch ich fürchterlich leide, wenn es dir schlechtgeht. Das Schlimmste ist das Gefühl, und die Ohnmacht, dir nicht helfen zu können.
    Eine lustige Geschichte muss ich dir aber auch noch erzählen. Vielleicht heitert sie dich ja etwas auf. Der neue Kapitän hat mich vor ein paar Tagen auf der Brücke in Gegenwart des Ersten Offiziers angeschrien, was mir einfalle, mich in seiner Gegenwart hinzusetzen. Eigentlich ist so etwas doch ein Unding. Ein Mensch verbietet einem anderen, sich hinzusetzen. Aber egal, das ist wohl nautische Tradition. Was soll man da machen? Jetzt stehe ich eben immer, wenn der Kapitän auf die Brücke kommt. Man kann nur hoffen, dass das nicht allzu oft passiert. Sonst bekomme ich noch Plattfüße.
    Ach ja, noch eine kurze Wettermeldung: Am letzten Tag der Löscharbeiten in Libyen hatten wir plötzlich überall Sand an Bord. Eine ganze Mauer aus Sand hat sich von der Sahara auf Tripolis zubewegt. Alles färbte sich rötlich beige. Der ganze Himmel war bedeckt, als würde ein Gewitter

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