Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
der Nachtwache mit dem Zweiten Offizier, und der bestätigte mir dann, dass nicht nur ich diesen Verdacht habe.
Aber zurück zu meinem Tagesablauf. Nach dem Mittagessen gehe ich in meine Kammer und hole meine Hängematte, ein Buch und ein Kopfkissen. Die nächsten Stunden verbringe ich lesend in der Sonne. Manchmal schlafe ich auch ein, so dass mich der Steward um 17.30 Uhr wecken muss. Meistens gehe ich dann durch die Kombüse in die Messe und unterhalte mich noch mit dem Koch auf Spanisch. Mein Spanisch wird übrigens immer besser. Nach dem Essen spiele ich mit ein paar Besatzungsmitgliedern Tischtennis, oder wir schauen uns gemeinsam eine DVD im Aufenthaltsraum an. Um zehn vor acht gehe ich dann wieder auf die Brücke. Die ersten zwei Stunden, von 20 bis 22 Uhr, mit dem Ersten Offizier. Von 22 bis 24 Uhr mit dem Zweiten Offizier. Auch diese Zeit gestaltet sich meistens sehr amüsant. Der Erste Offizier ist ein etwas älterer Filipino Ende fünfzig, der die Angewohnheit hat, extrem zu nuscheln. So stehen wir beide dann im Dunkeln auf der Brücke, und er erzählt mir stundenlang Geschichten aus seinem Seemannsleben. Leider verstehe ich kaum etwas. Doch wenn ich dann zustimmend »Oh, really?« sage, freut er sich und erzählt sofort weiter. Ich bin mir sicher, dass die Geschichten, die er erzählt, wahnsinnig interessant sind, doch ich möchte ihn durch mein ständiges Nachfragen nicht unterbrechen. Also lasse ich es und bin zufrieden mit dem, was ich verstehen kann.
Der Zweite Offizier ist Deutscher und 37 Jahre alt. Er erzählt auch immer viel, hauptsächlich redet er von den Orten dieser Welt, an denen er schon überall gewesen ist. Doch frage ich dann nach, um zu erfahren, wie eine bestimmte Stadt denn so sei, meint er nur, dass es nicht wichtig sei, was eine Stadt an Sehenswürdigkeiten zu bieten habe. Das einzig Wichtige seien die Frauen, die man dort erobern könne. Ständig versucht er, mir die verschiedenen Vorzüge der verschiedenen Frauen auf den verschiedenen Kontinenten zu erklären. Irgendwann habe ich es dann aufgegeben, mich mit ihm über andere Sachen als die Arbeit unterhalten zu wollen. Jetzt nutze ich die Zeit und lasse mir von ihm viel über astronomische Navigation beibringen.
Nach der Wache gehe ich in meine Kammer, stelle mich unter die Dusche und lege mich anschließend ins Bett. Dann träume ich von dir, bis um 7.45 Uhr wieder der Wecker klingelt.
Das ist also ein Tag in meinem Leben an Bord, nicht gerade abwechslungsreich, aber andererseits hilft die Routine, die Tage schneller vergehen zu lassen. Und ab und zu geschieht auch etwas, das die Routine unterbricht.
Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Es war irgendwo an der somalischen Küste. Nachdem wir in Brasilien gestartet waren, fuhren wir quer über den südatlantischen Ozean Richtung Kapstadt, von dort dann an der ostafrikanischen Küste hoch durch die Straße von Mosambik an Madagaskar vorbei und weiter Richtung Golf von Aden, am Horn von Afrika vorbei, um die Meerenge zum Roten Meer zu passieren. Da muss man leider an Somalia vorbei. Auf jeden Fall wurden wir aufgefordert, mindestens 100 Seemeilen Abstand von der somalischen Küste zu halten, weil da in letzter Zeit einige Schiffe überfallen wurden und nie wieder aufgetaucht sind. Sogar die Kommunikation per UKW-Sprechfunk war uns untersagt, damit die Piraten uns nicht entdecken konnten.
Es war eigentlich alles wie an den Tagen zuvor. Der Kapitän und ich standen auf der Brücke. Wir hatten mittelmäßigen Seegang, und es war ziemlich neblig. Es regnete sogar ein bisschen. Alles in allem also eine Wettersituation, in der Piraten es schwer haben sollten, uns zu entdecken. Ich merkte richtig, wie der Kapitän sich über das Wetter freute. Wir unterhielten uns mal wieder über irgendein Thema, irgendetwas Belangloses, als plötzlich etwas auf dem Radarschirm erschien. Es war nicht klar zu erkennen, was es sein könnte, denn tiefhängende Regenwolken erzeugten zusätzlich zahlreiche Echos auf dem Radarbild. Das Echo eines kleinen Bootes schien von der Küste zu kommen und unseren Kurs von backbord nach steuerbord zu kreuzen. Eigentlich eine alltägliche Situation, dass ein Boot uns kreuzt, also schenkten wir ihm zunächst keine große Beachtung. Bei etwa zwei Seemeilen Abstand sahen wir dann das Boot. Es hatte seine Geschwindigkeit auf zwei, drei Knoten verringert, und wir mussten den Kurs ändern, um nicht zu kollidieren. Auf Befehl des Kapitäns änderte ich den Kurs um
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