Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
Erfahrung weiß ich, dass die wenigsten Leute auf Massenmails reagieren. Bei einer persönlichen Anrede liegt die Erfolgsquote um einiges höher. Und wenn ich genug Fotos und Glückwünsche für ein ganzes Buch zusammenbekommen möchte, brauche ich viel Rücklauf. Ich schreibe 32 E-Mails, und die Zeit vergeht rasend schnell. Mittlerweile ist es später Nachmittag. Heribert hat sich noch immer nicht gemeldet. Ich versuche es noch einmal auf der Internetseite seiner Reederei. Ohne Erfolg. Dann halte ich es nicht mehr aus und versuche es auf seinem deutschen Handy. »Der gewünschte Gesprächspartner ist zurzeit nicht erreichbar«, sagt mir eine freundliche Frauenstimme. Ich habe auch die Satellitentelefonnummer vom Schiff. Aber da möchte ich nicht anrufen. Es ist schließlich kein Notfall. Ich möchte einfach nur seine Stimme hören. Am liebsten sofort. Geduld war noch nie meine Stärke.
Vor ein paar Jahren hat sich Heribert fast zwei Wochen lang nicht bei mir gemeldet. Ich konnte ihn nicht erreichen. Die E-Mails kamen mit dem Vermerk »unbekannter Empfänger« zurück, sogar die Satellitentelefonnummer des Schiffes funktionierte nicht.
Wenn ich in den Nachrichten etwas von einem Schiffsunglück hörte, zuckte ich zusammen. Ich lief zur Karte und vergewisserte mich, dass es unmöglich sein Schiff sein konnte. Er fuhr von China nach Panama. Die Fahrtzeit betrug fast drei Wochen. Meine Sorge um ihn wuchs von Tag zu Tag. Nachts konnte ich nicht schlafen oder ich träumte schlecht. Ich malte mir aus, dass sein Schiff untergegangen sein könnte, irgendwo auf dem Pazifik. Dass die Reederei mich nicht informierte, weil wir nicht verheiratet waren. Schließlich hatte ich keinerlei Informationsrecht. Wir wohnten zusammen, na schön. Genauso gut hätten wir auch eine WG sein können. Irgendwann wusste ich mir nicht mehr zu helfen und rief bei seiner Reederei an. Die Nummer hatte ich aus dem Internet. Ich landete zuerst in der Zentrale, wo ich Heriberts Namen und den Namen seines Schiffes nannte, und wurde dann zum Crewingmanager durchgestellt. Der Crewingmanager ist derjenige, der sich um die Personalplanung auf den einzelnen Schiffen kümmert. Wenn einer weiß, was los ist, dann er. Wieder hörte ich das Rufzeichen, mein Herz klopfte immer schneller. Ein älterer Herr mit einer sehr tiefen, sonoren Stimme ging ans Telefon, und ich sagte ihm, dass ich die Freundin von Herrn Riesenhuber sei, dass er sich schon längere Zeit nicht gemeldet habe, dass alle E-Mails zurückkämen und ich mir Sorgen machte.
»Wissen Sie, ob mit dem Schiff alles in Ordnung ist?«, fragte ich ängstlich und fürchtete mich vor der Antwort. Der Crewingmanager aber lachte.
»Von einem Untergang ist mir zumindest noch nichts bekannt«, sagte er und fing wieder an, laut zu lachen. Ich ärgerte mich. Ich kam mir so dumm vor. Ich bedankte mich höflich und legte auf. Dann weinte ich vor Wut. Und vor Erleichterung.
Als Heribert sich ein paar Tage später endlich bei mir meldete, erzählte er mir, dass die gesamte Schiffskommunikation ausgefallen sei. Dass weder das E-Mail-System noch das Satellitentelefon funktioniert hätten. Er hatte auch kein Handynetz. Sie waren zu weit draußen auf dem Meer. Ihm tat es leid, dass ich mich sorgte. Ich wusste, dass es nicht seine Schuld war. Verärgert war ich trotzdem. Seit diesem Erlebnis liege ich Heribert damit in den Ohren, dass ich endlich heiraten möchte.
»Ich möchte nicht mehr sagen müssen, dass ich deine Freundin bin. Wie klingt denn das? Wenn ich sagen könnte, dass ich deine Frau bin, würde mich niemand mehr auslachen.«
Heribert sagte, dass er mich zwar verstehen könne, er aber erst dann heiraten wolle, wenn er mit der Seefahrt aufhöre. Er habe keine Lust darauf, im Urlaub zu heiraten und kurze Zeit später wieder losfahren zu müssen. Außerdem würde er mich mit der Organisation eines solch großen Festes nicht allein lassen wollen. Dieses Argument leuchtete mir ein. Von Freundinnen weiß ich, wie anstrengend Hochzeitsvorbereitungen sein können. Ich beruhigte mich wieder. Aber immerhin hat dieser Vorfall bewirkt, dass Heribert meinen Namen und meine Telefonnummer offiziell bei der Reederei hinterlegt hat. Für den Notfall.
Ich gehe in die Küche und mache mir ein Käsebrot. Ich toaste mein Brot immer, bevor ich es esse. Ich toaste jedes Brot, auch das dunkle. Sogar frische Brötchen werden getoastet. Heribert sagt, dass das eine Macke sei. Er kann nicht verstehen, dass ich wegen jeder
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