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Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Titel: Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Krahlisch
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Sonntag ist noch frei, aber da fällt mir sicher auch noch etwas ein. Hauptsache, ich bin nicht allein zu Hause.
    In der Zeit, in der Heribert zu Hause ist, kümmere ich mich fast gar nicht um meine Freunde. Ich treffe mich nur sehr selten mit ihnen. Meine Freunde außerhalb Berlins rufe ich kaum noch an. Jetzt hole ich alles nach. Ich schäme mich natürlich für die Vernachlässigungen der vergangenen zwei Monate, dabei verstehen meine Freunde mich. Sie wissen, dass ich abtauche, sobald Heribert da ist. Und wiederauftauche, sobald er weg ist. Aber ich frage mich, ob ich wohl auch so eine schlechte Freundin wäre, wenn ich eine ganz normale Beziehung führen würde. Würde ich dann auch nur noch mit meinem Freund zusammen sein wollen und alle anderen vernachlässigen? Wäre ich dann womöglich eine dieser Frauen, über die ich mich sonst so aufrege? Eine, die sich selbst regelrecht aufgibt und nur noch als Anhängsel ihres Freundes existiert? Eine, die die Freunde des Partners zu ihren eigenen Freunden erklärt und bei einem Scheitern der Beziehung plötzlich ganz allein dasteht? Meine Freundin Meike beruhigt mich immer und sagt, dass das sicher nicht der Fall wäre. Dass das einfach nicht zu mir passen würde. Und dass ich in den zwei Monaten nur deshalb so eine Klette bin, weil die gemeinsame Zeit mit Heribert so begrenzt ist.
    Paranagua, Brasilien, 05. 07. 2002
     
    Meine liebe Nancy,
    dieser Brief erreicht dich aus Brasilien. Vor drei Tagen bin ich von Larnaca, dem Flughafen auf Zypern, über London Heathrow und São Paulo nach Curitiba geflogen. In Curitiba hat man mich dann abgeholt und mit einem Auto nach Paranagua gebracht. Mein neues Schiff war noch nicht da, also kam ich erst einmal in ein Hotel und hatte Zeit, mir diese hübsche kleine Stadt genauer anzusehen. Natürlich konnte ich auch mein Portugiesisch etwas aufpolieren. Ich muss sagen, es klappt besser, als ich dachte. Schade, dass niemand von meiner brasilianischen Familie hergekommen ist. Wenn ich vorher gewusst hätte, dass ich hier so viel Zeit verbringen würde, hätte sich die weite Reise von Itabira hierher vielleicht doch gelohnt. Aber ich will mich nicht beschweren, immerhin konnte ich in den vergangenen Tagen ganz oft mit dir telefonieren. Ich habe dich immer wieder aus dem Hotel per R-Gespräch angerufen. Ich hoffe, die nächste Telefonrechnung löst keinen allzu großen Schock bei dir aus. Es tut mir wirklich leid, wenn ich dich finanziell ruiniere, aber ich konnte einfach nicht widerstehen.
    Wahrscheinlich geht es morgen früh dann endlich an Bord. Heute habe ich mir noch schnell ein Schachspiel und eine Hängematte gekauft. Vielleicht hat jemand von der Besatzung Lust, mit mir zu spielen. Und vielleicht habe ich auch mal Gelegenheit, meine Hängematte an Deck aufzuhängen und ein Buch darin zu lesen. Außerdem habe ich auch noch ein paar Fotos gemacht und sie gleich zum Entwickeln gebracht. Ein paar der Bilder sind auch tatsächlich ganz gut geworden, ich schicke sie dir zusammen mit diesem Brief, damit du dir besser vorstellen kannst, wo ich bin beziehungsweise wo ich war, wenn der Brief dich dann endlich erreicht.
    Heute Nachmittag habe ich auch ein paar Telefonkarten gekauft. Als ich dann an einer Telefonzelle vorbeikam, habe ich dich auch sofort angerufen. Ach Nancy, jedes Mal, wenn ich deine Stimme höre, kommt es mir fast so vor, als ob ich in Bremen wäre und du in Hamburg. Doch wenn ich dann auflegen muss, merke ich wieder, dass dem leider nicht so ist. Du bist zwar in Hamburg, ich aber bin irgendwo auf dieser großen Welt, Tausende Kilometer von dir entfernt. Ach Nancy, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisse. Ich glaube, ich habe es dir schon mal geschrieben, aber ich kann es gar nicht oft genug sagen: Je länger ich weg bin, desto mehr brauche ich dich, deine Stimme, deine Briefe. Der einzige Grund, der mich hier nicht verzweifeln lässt, bist du. Ich freue mich so sehr auf unsere gemeinsame Zeit in Bremen. Im Augenblick habe ich wirklich genug von Männergesellschaften. Ich möchte nur noch morgens aufwachen, dich ganz fest und lange drücken und dann, wenn mir die Kraft dazu ausgeht, einfach noch einmal einschlafen. Natürlich nur mit dem Wissen, dass du noch neben mir liegst, wenn ich danach aufwache. Ach Nancy, bitte lass mich nicht so schnell wieder wegfahren. Im Augenblick habe ich wirklich genug von der Seefahrt. Aber wenigstens kann ich nachts von dir träumen. Doch das hilft leider auch nur so

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