Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
Scheibe aufstehe und zum Toaster gehe. Mir macht das nichts aus. Auf mein Käsebrot kommen Frischkäse, eine Scheibe Eisbergsalat und obendrauf noch eine Scheibe Gouda. Dazu gibt es zwei oder drei Cocktailtomaten. Ich bin etwas zwanghaft, was mein Käsebrot angeht. Ich glaube, ich war zu lange allein. Man wird komisch, wenn man so lange allein ist. Ich habe mir in den vergangenen Jahren so einige Marotten angewöhnt. Zum Beispiel sauge ich jedes Mal das Badezimmer, nachdem ich meine Haare gewaschen und geföhnt habe. Ich mag es nicht, wenn Haare auf dem Boden herumliegen. Wenn ich das Bett mache, lege ich die Kissen in eine ganz bestimmte Position. Wenn Heribert das Bett macht, bin ich immer ganz unzufrieden damit und mache es hinter seinem Rücken noch einmal neu.
Ich esse mein Käsebrot im Stehen und sehe dabei aus dem Fenster. Ich werfe einen Blick über den Hof und beobachte die vierköpfige Familie im Haus gegenüber. Mutter, Vater und zwei kleine Jungs. Auch sie sind gerade beim Abendessen. In der Wohnung darüber kocht ein junges Pärchen. Er steht am Herd und rührt gerade irgendetwas im Topf um, sie hat sich von hinten an ihn gelehnt. Ihre Arme umfassen seinen Bauch. Sie sehen glücklich aus. Ich seufze kurz und wende mich lieber wieder der Familie zu. Die zwei Jungen sind etwa drei und fünf Jahre alt. Die Eltern unterhalten sich. Die Jungs konzentrieren sich auf ihr Essen. Was für brave Kinder, denke ich. Ich weiß genau, dass es ungesund ist, im Stehen zu essen. Beim Kauen denke ich noch darüber nach, mich hinzusetzen, aber ich tue es doch nicht. In unserer Küche steht ein riesiger Holztisch mit sechs Stühlen. Es hätten sogar acht Stühle daran Platz. Wenn wir Besuch haben, ist der Tisch wirklich praktisch. Seit Heribert weg ist, habe ich noch kein einziges Mal an diesem Tisch gesessen. Ich meide ihn. Es ist, als würde er das Alleinsein nur verschlimmern.
Am Abend bin ich auf eine Party eingeladen. Stefan, der Freund meiner Yogafreundin Simone, feiert gemeinsam mit einem Kumpel seinen Geburtstag. Die Kneipe, in der gefeiert wird, ist nur zwei Straßen von unserer Wohnung entfernt. Falls Heribert mich also heute Abend anrufen sollte, könnte ich innerhalb von wenigen Minuten wieder zu Hause sein. Ich ziehe meine weiße, eng geschnittene Bluse an, meine dunkelblaue Stretchjeans und dazu hohe braune Stiefel. Dann mache ich mich auf den Weg. Ich kann auf hohen Schuhen nicht sehr weit laufen und bin froh, als ich aus hundert Metern Entfernung ein paar bunte Luftballons an der Kneipentür hängen sehe. Der Partyraum, den die beiden für heute Abend gemietet haben, befindet sich in einer Art Kellergewölbe.
Beim Betreten der Kneipe fällt es mir wieder ein. Hier unten habe ich keinen Empfang. Auf halber Treppe bleibe ich stehen und überlege, was ich tun soll. Ich möchte auf keinen Fall Heriberts Anruf verpassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er sich in den nächsten Stunden bei mir meldet. Andererseits habe ich schon den ganzen Tag auf seinen Anruf gewartet. Was wäre, wenn ich tatsächlich auf diese Party verzichtete, wieder nach Hause ginge und er mich heute Abend doch nicht anrufen würde? Dann wäre ich womöglich sauer auf ihn, ohne dass er etwas dafürkönnte. Ich entscheide mich für einen Kompromiss. Ich bleibe, nehme mir aber vor, nicht allzu spät nach Hause zu gehen. Ich steige die restlichen Treppenstufen hinab und sehe unten Simone und Nicole. Auch Meikes Schwester Winnie ist da, und jede Menge andere Freunde und Bekannte.
Der Raum ist brechend voll, es ist stickig und heiß. Hier unten gibt es keine Fenster, der DJ dreht den Lautstärkeregler noch ein Stück weiter nach oben, die Gastgeber schieben sich mit Tabletts voller Mixgetränke durch die Massen. Ich habe immer ein volles Glas in der Hand, manchmal weiß ich gar nicht genau, von wem. Ich unterhalte mich, ich habe Spaß und tanze viel. Plötzlich fällt mir Heribert wieder ein. In den vergangenen Stunden habe ich überhaupt nicht auf die Zeit geachtet. Prompt macht sich mein schlechtes Gewissen bemerkbar, ich hole meine Jacke und gehe, ohne mich zu verabschieden.
Kaum habe ich mich auf den Heimweg gemacht, bekomme ich eine SMS. Drei neue Nachrichten befinden sich auf meiner Mailbox. Ich zucke zusammen. Sofort höre ich die Mailbox ab. Mein Schritttempo beschleunigt sich. Jetzt bemerke ich auch zum ersten Mal meine schmerzenden Füße. Die erste Nachricht ist von meinem Bruder. Er und seine Freundin Melanie wollen wissen, was
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