Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
mich auf einen Stuhl, im obersten Fach werde ich fündig. Der Strickschal ist bestimmt zwei Meter lang. An den Enden hat er dicke braune Wollfransen. Ich rieche an dem Schal. Vielleicht riecht er noch nach Heribert? Leider ist meine Nase schon zu verstopft. Ich binde mir den Schal mehrfach um den Hals, mache mir einen Tee und gehe zurück ins Bett.
Ich kann nicht mehr schlafen, also hole ich mir den Laptop. Das Album für Eileens Hochzeit ist fast fertig. 32 Freunde und Bekannte haben mitgemacht und mir Fotos und Glückwünsche geschickt. Sogar Eileens erster Freund Michael hat sich gemeldet.
Es hat viele Stunden gedauert, die ganzen Seiten mit all den Bildern und Texten am Computer zu gestalten. Aber mittlerweile bin ich ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Heute arbeite ich noch an dem Deckblatt. Dann kann das Fotobuch gedruckt werden.
Kapitel 4: Logbuch
Z weimal schon bin ich auf Heriberts Schiffen mitgereist. Ich wollte wissen, was so toll daran ist, monatelang unterwegs zu sein, umgeben von Wasser, weit weg von Familie und Freunden. Bei meiner ersten Reise fuhr Heriberts Schiff fast ausschließlich durch die Karibik. Von Jamaika in Richtung Dominikanische Republik, dann weiter nach Venezuela, Aruba, Panama, Trinidad, Puerto Rico und wieder zurück nach Jamaika. Fast täglich legten wir in einem neuen Hafen an. Drei Wochen lang war ich mit an Bord.
Heriberts Reederei hat vorab alles organisiert. Sie haben sogar die Flüge für mich gebucht und den Betrag anschließend von Heriberts Heuer abgezogen.
Heribert war zu der Zeit der Zweite Offizier. Er war verantwortlich für die Schiffssicherheit und die Verpflegung, und er war der Medizinische Offizier.
Als ich an Bord kam, war ich von allem so begeistert, dass ich anfing, eine Art Logbuch zu schreiben. Ich wollte alle Eindrücke und Erlebnisse festhalten. Mein Logbuch war eigentlich nur ein kleines blaues Notizbuch. Ich schrieb jeden Tag in dieses Notizbuch, manchmal auch mehrmals täglich. Inzwischen liegt das kleine Büchlein zusammen mit Heriberts Briefen in der Holztruhe unter unserem Bett. Hin und wieder hole ich es heraus und lese darin. Es ist, als würde ich die Reise noch einmal erleben.
Tag 1 – Kingston (Jamaika)
Vor drei Stunden bin ich auf dem Schiff und damit bei Heribert angekommen. Ich kann noch immer nicht glauben, dass ich tatsächlich hier bin. Alles ist sehr aufregend. Der Flug dauerte fast zwanzig Stunden. Berlin, Paris, Miami, Kingston. Jetzt bin ich müde, aber zum Schlafen viel zu aufgekratzt.
Als ich in Kingston ankam und mein Gepäck hatte, suchte ich erst einmal nach dem Agenten. Irgendjemand sollte mich doch abholen, dachte ich. Ich hielt überall nach einem Schild mit meinem Namen oder dem Namen des Schiffes Ausschau. Aber ich konnte niemanden finden. Ich lief aus dem Flughafengebäude. Etwa 20 jamaikanische Taxifahrer stürmten auf mich zu und boten mir ihre Dienste an. Manche von ihnen waren richtig aufdringlich und griffen auch gleich nach meinem Gepäck. Ich fand das unheimlich. Schnell lief ich wieder zurück ins Gebäude. Mein Handy funktionierte nicht, draußen wurde es langsam dunkel. Von Heribert wusste ich, dass auch der neue Erste Offizier, ein Russe, in meiner Maschine sitzen sollte. Also beschloss ich, nach ihm zu suchen. Aber woran würde ich einen russischen Offizier erkennen? Ich sprach so ziemlich jeden weißen Mann an, dem ich begegnete. Ich nannte den Namen des Schiffes und wartete die Reaktion ab. Nach ungefähr zwanzig Versuchen hatte ich Vladimir gefunden. Er war blond, mittelgroß und schlank, und er war mindestens ebenso nervös wie ich. Wenn er Englisch sprach, hatte er einen so starken russischen Akzent, dass ich ihn kaum verstehen konnte. Was ich verstanden habe, war, dass er 55 Jahre alt ist, aus Sankt Petersburg kommt und dies sein erster Einsatz für eine deutsche Reederei ist. Wir setzten uns auf eine Bank in der Nähe des Haupteinganges und ließen die Tür nicht aus den Augen.
Nach über einer Stunde kam endlich der Agent. Er war etwa 30 Jahre alt und ein wirklich bildhübscher Jamaikaner. Er war groß, schlank, braungebrannt und hatte ein jungenhaftes Gesicht. Seine perfekten schneeweißen Zähne leuchteten, wenn er sprach. Er entschuldigte sich für seine Verspätung. Er erzählte irgendetwas von Problemen im Büro, dann fuhren wir los zum Hafen. Der Agent redete die ganze Zeit, und weil Vladimir ihm nicht antwortete, musste ich mich mit ihm unterhalten. Die Fahrt dauerte noch einmal fast
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