Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
merkte, war er ganz schön sauer. Aber natürlich war es da längst zu spät.
In Tema waren wir zwei Tage. Unser nächstes Ziel hieß Lagos, Nigeria.
Ich mache mal eine kurze Schreibpause. Es ist so wahnsinnig heiß in meiner Kammer. Es hat gerade 36 Grad. Ich glaube, ich muss mal schnell in den Pool springen, um mich etwas zu erfrischen …
So, hier bin ich wieder. Du musst wissen, dass unsere Klimaanlage ausgefallen ist. Das bedeutet, dass sich das Schiff den ganzen Tag über aufheizt und wir deshalb bis zu 40 Grad in den Aufbauten haben. Die einzige Möglichkeit, sich etwas abzukühlen, bietet da der kleine Pool.
Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, Lagos. Lagos war auch nicht viel besser als Cotonou. Auch hier war es ziemlich dreckig, und es stank zum Teil erbärmlich. Wir lagen knapp eine Woche hier, aber für einen Landgang war es zu gefährlich. In letzter Zeit sind hier wohl häufiger Weiße verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Also blieb ich an Bord. Was aber gut war, war die Tatsache, dass jeden Tag Händler an Bord kamen und uns den irrsinnigsten Schrott zum Kauf anboten. Ständig kamen sie an und wollten uns von DVDs über Computer, Kleidung und Pflanzen alles verkaufen, was du dir vorstellen kannst. Das Schönste, das sie dabeihatten, waren unterschiedliche Holzschnitzereien. Ich entschloss mich, ein paar der Holzfiguren zu kaufen. Ich konnte den Preis etwas herunterhandeln, allerdings musste ich außer mit US-Dollar auch noch mit Seife und Cola-Dosen bezahlen. Was genau ich gekauft habe, möchte ich dir aber noch nicht erzählen. Das wird eine Überraschung.
Dann ist mir auch zum ersten Mal etwas passiert, bei dem ich nicht sicher war, ob ich mich richtig verhalten hatte. Meine Ladungswache sieht so aus, dass ich drei Besatzungsmitglieder habe, die ich je nach Bedarf für bestimmte Arbeiten einsetzen kann. Zum Beispiel für das Beaufsichtigen der Leute oder das Überprüfen der Schiffsleinen. Da die Hafenarbeiter während meiner Wache immer zwei Stunden Pause haben, saß ich also mit den drei Männern oft herum, ohne wirklich etwas zu tun zu haben. Wir warteten. Irgendwann kam dann mal einer meiner Leute und wollte während der Wache an Land gehen. Eigentlich ist das verboten, aber da gerade wieder einmal zwei Stunden Pause vor uns lagen, erlaubte ich ihm den Landgang unter der Bedingung, dass er eine halbe Stunde vor Wiederaufnahme der Ladungsarbeiten zurück sein müsse. Er versprach, rechtzeitig wieder da zu sein, und verschwand. Und was passierte? Er kam natürlich nicht rechtzeitig zurück. Mit eineinhalb Stunden Verspätung tauchte er dann auf. Ich bestellte ihn also erst einmal allein ins Ladungsbüro. Ich wollte mit ihm reden. Doch was sollte ich tun? Er hatte eine Order ganz klar missachtet. Hinzu kam, dass er eindeutig nach Alkohol roch.
Ich hatte zwei Möglichkeiten. Zum einen einfach so zu tun, als wäre nichts passiert, oder aber ihn dem Kapitän zu melden, um ihn dann eventuell im nächsten Hafen nach Hause zu schicken. Wenn ich nichts machen, sein Verhalten also ignorieren würde, spräche sich das schnell herum, und mit meiner Autorität als Dritter Offizier wäre es auf einen Schlag vorbei. Aber andererseits wollte ich ihn auch nicht gleich dem Kapitän melden. Ich entschied mich also für einen Zwischenweg. Ich bat ihn ins Büro und ließ ihn die Tür schließen. Ich fragte ihn, warum er so spät zurück sei, und er antwortete nur, er habe die Zeit vergessen. Dabei lächelte er mich provozierend an. Ich sagte ihm, ich würde es dem Ersten Offizier melden. Er sagte nur »Okay« und grinste mich weiter an. Ich drohte mit dem Kapitän, doch er grinste weiter. Mir war klar, dass ich so nicht weiterkommen würde. Er nahm mich einfach nicht ernst. Also versuchte ich eine andere Taktik. Ich fragte ihn, ob er Alkohol getrunken hätte. Er verneinte. Ich wies ihn darauf hin, dass er eine starke Fahne habe. Er meinte nur spöttisch: »Na und?« Würde ich ihn so gehen lassen, hätte er gewonnen, und ich stünde als Depp des Schiffes da. Also blieb mir keine andere Wahl. Ich sagte ihm, dass ich sein Verhalten protokollieren und diesen Bericht über den Kapitän an seine Crewingfirma auf Kiribati Island schicken würde. Betrunken im Dienst zu erscheinen sei ein sofortiger Kündigungsgrund. Zusätzlich würde ich ihm auch noch den Lohn der letzten Stunden abziehen, da er schließlich nicht gearbeitet habe. Plötzlich verfinsterte sich seine Miene. Seine Augen waren auf einmal ganz
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