Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
hasserfüllt. Er fing an zu schreien, was das alles solle. Ich bat ihn, das Büro zu verlassen. Doch er schrie weiter und wollte nicht gehen. Ich glaube sogar, dass er kurz darüber nachgedacht hatte, mir eine zu knallen. Aber das tat er nicht. Er schlug die Tür hinter sich zu und rannte raus an Deck, um zu arbeiten.
Natürlich hatte ich nicht vor, ihn zu melden. Doch ich musste mir als sein Vorgesetzter Respekt verschaffen. Ich ließ ihn eine Weile schmoren, er sollte in Ruhe nachdenken. Jedes Mal, wenn ich an ihm vorbeilief, schaute er mich ganz feindselig an. Er ging davon aus, dass ich den Bericht schon längst verfasst und an den Kapitän weitergeleitet hatte. Seine Tage an Bord waren für ihn gezählt. Die anderen Besatzungsmitglieder warnten mich sogar vor ihm. Ich solle besser Abstand halten.
Nach etwa zwei Stunden ging ich zu ihm, um ihn aufzuklären. Zunächst wollte er mir gar nicht zuhören. Ich redete gegen eine Wand. Trotzdem fuhr ich fort. Ich teilte ihm mit, ich hätte den Kapitän nicht informiert und würde ihm auch seinen Lohn lassen. Als er verstand, was ich sagte, wollte er sich bedanken. Aber ich meinte nur, dass er sich das merken solle. Beim nächsten Mal würde ich keine Rücksicht mehr nehmen. Dann ging ich wieder.
Mittlerweile hat sich unser Verhältnis normalisiert. Wir sind zwar nicht die dicksten Freunde, aber er weiß jetzt, dass er mit mir nicht alles machen kann. Nach dem Motto, das ist ja nur der neue Dritte Offizier.
So, mein Engel. Ich höre jetzt langsam auf zu schreiben. Ich muss gleich auf Wache.
Aber vorher möchte ich noch etwas sagen: Danke, dass es dich gibt!
Ich liebe dich! Und ich vermisse dich ganz wahnsinnig. Danke, dass du für mich in Deutschland die Stellung hältst und alles für mich organisierst. Das ist für mich nicht selbstverständlich.
Morgen kommen wir übrigens wieder zurück nach Singapur. Da soll es endlich Schiffspost geben. Ich freue mich wahnsinnig auf deine Briefe!
Ich liebe und vermisse dich!
Dein Heribert
PS: Ich freue mich sogar darauf, dass wir bald zusammenziehen.
Ich werde wach und höre Stimmen. Ein kalter Wind weht durch das Schlafzimmer. Ein Blick auf mein Handy sagt mir, es ist 3 Uhr morgens. Was ist passiert? Ich mache das Licht an, stehe auf und laufe barfuß in den Flur. Die Wohnungstür steht offen, ein paar Herbstblätter wehen über den Parkettfußboden. Es zieht fürchterlich. Draußen im Hausflur stehen meine Nachbarn. Das junge Pärchen, das über uns wohnt, und der Familienvater aus dem Dachgeschoss stehen vor der offenen Tür und unterhalten sich. Sie verstummen, als sie mich sehen.
»Was ist los?«, frage ich erschrocken.
»Bei euch wurde eingebrochen«, antwortet der Nachbar aus dem Dachgeschoss. »Die Polizei ist schon unterwegs.«
Oh, nein, sie haben bestimmt den Fernseher mitgenommen, denke ich. Barfuß laufe ich ins Wohnzimmer. Alles ist verwüstet, alle Schranktüren stehen offen, alle Schubladen wurden durchwühlt. Und trotzdem bin ich erleichtert: Der Fernseher steht noch an seinem Platz.
»Der Fernseher war den Dieben wohl zu groß«, sagt der Polizist, der plötzlich neben mir steht. »Guten Morgen! Hauptkommissar Thieme mein Name.« Er streckt mir seine große Hand entgegen. Er und sein Kollege tragen Uniform, ich bin noch immer barfuß.
In meinem weißen Nachthemd sehe ich wahrscheinlich aus wie ein Gespenst, denke ich. Heribert hasst dieses Nachthemd. »Du siehst aus wie meine Oma«, sagt er immer, wenn ich es trage. Jetzt habe ich es nur noch an, wenn er nicht da ist. Meine Haare stehen wild vom Kopf ab. Mir ist kalt, ich überlege, ob ich mir nicht schnell etwas überziehen sollte. Dann klingelt es. Das Klingeln wird immer lauter. Hauptkommissar Thieme sagt etwas, aber ich kann ihn nicht verstehen. Warum hört dieses Klingeln nicht auf? Es ist mein Wecker. Aber es ist mitten in der Nacht, warum klingelt mein Wecker?
Dann werde ich wach. Zum zweiten Mal in dieser Nacht. Ich mache den Wecker aus und denke nach. Was war das gerade? Ich habe geträumt. Von einem Einbruch. Alles schien so real, aber es war nur ein Traum. War es das? Ich atme tief durch, mache das Licht an und stehe auf. Mein Herz klopft noch immer viel zu schnell. Ich schlüpfe in meine Hausschuhe, gehe zur Tür und sehe vorsichtig in den Flur. Die Wohnungstür ist geschlossen, ich sehe keine Blätter, die über den Boden fliegen, ich höre auch keine Nachbarn reden. Es ist ganz still. Alles ist normal, beruhige dich, denke ich. Und
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