Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
Badezimmer mit Dusche und WC. Alles ist sehr sauber und aufgeräumt. Die Wände sind aus Stahl, aber sie sehen aus, als wären sie mit hellem Holz vertäfelt. Über dem Bett hängen viele Fotos. Alles ist genau so, wie Heribert es in seinen Briefen immer beschrieben hatte. Überall im Raum sind diese Anti-Rutsch-Matten verteilt. Auf den Tischen, in den Regalen, auf den Schränken. Alle Schränke kann man abschließen. Sogar am Kühlschrank ist ein kleiner Sicherheitshaken.
Auf dem Couchtisch lagen ein paar Käsebrote. Eines habe ich sofort gegessen, dann bin ich erst einmal unter die Dusche. Anschließend wartete ich auf Heribert. Kurz vor Mitternacht kam er endlich zurück. Aber er zog sich nur schnell seinen weißen Overall an, dazu eine Sicherheitsweste und setzte seinen Helm auf, dann musste er auch schon wieder los zur Ladungswache. Die Wache geht bis 6 Uhr morgens. Er entschuldigte sich dafür, dass er so wenig Zeit habe. Ich sagte, dass das doch kein Problem sei. Enttäuscht war ich trotzdem.
Ich fing damit an, meine Sachen auszupacken. Heribert hatte für mich ein paar Fächer im Schrank frei geräumt. Seine Geschenke und Süßigkeiten legte ich auf den Couchtisch. Dann sah ich nach draußen. Heriberts Kammer hat zwei Fenster. Eines zeigt nach vorne raus, eines zur Seite. Die ganze Zeit flogen Container an den Fenstern vorbei. Ich fand das faszinierend. Ich glaubte sogar, dass ich Heribert in seinem weißen Overall erkannt habe. Vielleicht war es aber auch jemand anderes.
Tag 2 – Auf dem Weg nach Rio Haina
6.20 Uhr
Heribert kam zurück in die Kammer, ging duschen und legte sich zu mir ins Bett. Nicht einmal eine Stunde später klingelte das Telefon, der Kapitän war dran, und Heribert musste schon wieder aufstehen. Er sollte die Brücke für das Ablegen vorbereiten. Ich fand das gemein. Er hatte sich doch gerade erst hingelegt. Konnte das nicht jemand anderes erledigen? Heribert erklärte mir, dass immer der Offizier die Brücke vorbereiten muss, der gerade frei hat. Ohne sich zu beschweren, zog er sich wieder an und ging. Ich schlief sofort wieder ein.
9.20 Uhr
Als Heribert zwei Stunden später zurückkam, sagte er, wir würden bereits fahren. Komisch, ich hatte das Ablegen gar nicht mitbekommen. Ich stand auf, sah kurz aus dem Fenster und legte mich wieder hin. Ich war noch müde, außerdem wollte ich es mir nicht entgehen lassen, endlich neben Heribert zu liegen.
Die Geräusche an Bord sind nicht so laut, wie ich gedacht hatte. Als vor ein paar Stunden die Container direkt vor dem Fenster geladen wurden, rumpelte es ganz schön. Beim Fahren aber entsteht nur ein gleichmäßiges, sonores Brummen, das schon fast eine beruhigende Wirkung auf mich hat.
10.00 Uhr
Als ich ins Bad ging, merkte ich, dass das Schiff schaukelte (»rollen« heißt das auf Seefahrerdeutsch). Beim Anziehen meiner Hose hatte ich immense Gleichgewichtsprobleme, erst hüpfte ich auf dem einen Bein herum, dann auf dem anderen. Vielleicht sollte ich meine Hose in Zukunft besser im Sitzen anziehen.
11.20 Uhr
Wir gingen hinunter zum Mittagessen. Die Messe befindet sich im Poop-Deck, also unterhalb des A-Decks. Wir gingen nach rechts in die Offiziersmesse, links befindet sich die Mannschaftsmesse. In der Mitte ist die Kombüse, da wird gekocht. In der Offiziersmesse war niemand außer uns. Wir setzten uns an einen der zwei großen Tische, und sofort kam der Steward zu uns. Der etwa 20-jährige Kiribati ist ziemlich klein, hat dunkle Haut und schwarze Haare. Er trug eine schwarze Hose und ein weißes Kellnerhemd. Er begrüßte uns freundlich und fragte, ob wir Lamm wollten. Dazu Reis oder Kartoffeln.
Auf dem Schiff reden alle Englisch. Die meisten Besatzungsmitglieder werden nicht mit Namen, sondern nur mit ihrem Dienstgrad beziehungsweise ihrer Berufsbezeichnung angesprochen. Der Steward heißt »Mr. Steward«, der Koch heißt »Cooky« (Verniedlichung von Koch), und Heribert heißt als Zweiter Offizier »Second« (Der Zweite) beziehungsweise »Second Mate«. Der Kapitän heißt für alle »Herr Kapitän« beziehungsweise »Captain«. Hinter seinem Rücken wird er auch »Der Alte« genannt.
Wir bekamen jeder einen großen Teller mit Lamm, Kartoffeln und grünen Bohnen. Ich wollte nicht unhöflich sein, also habe ich alles aufgegessen. Sogar das große Stück Lammfleisch. Es schmeckte überraschend gut. Zu trinken gab es Wasser und verschiedene Säfte, zum Nachtisch ein Stück Honigmelone. Während wir aßen, kam der
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