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Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Titel: Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Krahlisch
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Kapitän in die Messe. Beim Eintreten brummte er »Mahlzeit«, wir antworteten ebenfalls mit »Mahlzeit«. Er ging in die Küche, sprach mit dem Koch, dann setzte er sich an den zweiten, leeren Tisch. Es gibt in der Messe eine strenge Sitzordnung.
    Der Kapitän ist etwa 60 Jahre alt, hat graue, fast weiße Haare und war ganz offensichtlich schlecht gelaunt. Er war sehr wortkarg. Aber Heribert hatte mich bereits vorgewarnt. Ich hatte also gar nicht erwartet, dass er mich begrüßen würde. Dass ich an Bord mitfahren darf, hat auch nicht er genehmigt, sondern der Kapitän vor ihm. Wahrscheinlich war das mein Glück.
    Nach und nach kamen immer weitere Besatzungsmitglieder in die Messe. Alle wünschten »Mahlzeit« beim Eintreten. Beim Hinausgehen dann noch einmal. Ich fand das eigenartig. Heribert erzählte mir daraufhin eine lustige Anekdote. Auf einem seiner ersten Schiffe gab es einen Filipino, der den deutschen Brauch mit dem Wort »Mahlzeit« nicht kannte und anfing, beim Betreten der Messe immer »Inside« (drinnen) zu sagen, beim Rausgehen dann »Outside« (draußen). Ich musste sehr lachen.
    Auf dem Schiff arbeiten insgesamt 27 Besatzungsmitglieder aus fünf verschiedenen Nationen. Deutsche, Russen, Ukrainer, Filipinos und Kiribatis. Ich bin die einzige Frau.
    Als wir mit dem Essen fertig waren, fragte Heribert den Kapitän, ob seine Verlobte mit auf die Brücke dürfe. »Von mir aus«, antwortete dieser knapp. Heribert bedankte sich, dann verließen wir mit einem lauten »Mahlzeit« die Messe.

    11.55 Uhr
    Von 12 bis 16 Uhr und von 0 bis 4 Uhr hat Heribert als Zweiter Offizier immer Seewache auf der Brücke. Die Brücke liegt auf dem G-Deck. Wir stiegen also sieben Decks hinauf. Dabei merkte ich wieder das Rollen des Schiffes. Das Treppensteigen war anstrengend. Als wir oben ankamen, war ich ziemlich erledigt, und mir war schlecht. Durch eine schwer zu öffnende Stahltür gingen wir auf die Brücke. Da oben ist alles sehr modern. Ich war beeindruckt von der riesigen Fensterfront und dem Blick auf das offene Meer. Die Sonne schien, das Wasser war türkisblau, und unter uns türmten sich Hunderte von Containern. Wir begrüßten den Dritten Offizier, ebenfalls ein Kiribati. Heribert stellte mich wieder einmal als seine Verlobte vor. Ich musste lachen.
    Als Heribert seine Reederei vor ein paar Wochen fragte, ob ich auf dem Schiff mitfahren dürfe, gab er an, dass wir verlobt seien. Er rechnete sich damit größere Chancen aus, dass sie meinen Besuch genehmigen würden. Den Tipp gab ihm sein ehemaliger Kapitän. Es hat funktioniert. Als ich ihn aber fragte, ob wir nun eigentlich tatsächlich verlobt seien, verneinte er entschieden und sagte, dieser Beziehungsstatus gelte nur gegenüber seinem Arbeitgeber. Ich fand das ziemlich uncharmant.
    Heribert und der Dritte Offizier machten eine Übergabe. Dann kam Heriberts Auszubildender Herr Luttkus auf die Brücke. Insgesamt sind vier Auszubildende an Bord. Alles Deutsche. Zwei arbeiten an Deck und zwei im Maschinenraum. Die Auszubildenden sind die Einzigen, die mit ihrem Namen angesprochen werden. Komisch finde ich, dass sich hier alle so förmlich siezen. Herr Luttkus ist 24 Jahre alt, Heribert ist 27. Herr Luttkus, ein schlaksiger Riese von zwei Metern, bekam von Heribert erst einmal die Order, mir die Brücke zu zeigen und mir die Aufgaben eines Offiziers während einer Seewache zu erklären. Heribert in der Rolle eines Vorgesetzten zu erleben war etwas eigenartig. Diese Seite kannte ich an ihm bisher noch nicht.
    Herr Luttkus hat sofort getan, was ihm aufgetragen wurde, und zeigte mir alles. Die Radargeräte, die Seekarten, die Flaggen und ganz wichtig: die Kaffeeküche. Dann ging er mit mir auf die Nock, das ist der nicht überdachte Teil links und rechts neben der Brücke. Ich stützte mich mit den Händen auf der Reling ab und atmete tief ein. Mir war noch immer etwas übel. Ich versuchte, so viel wie möglich von der frischen salzigen Meeresluft in meine Lunge einzusaugen. Ich genoss es, mir vom Fahrtwind die Haare aus dem Gesicht blasen zu lassen. Ich beobachtete das langsame Auf und Ab des Schiffsrumpfes, die Wellen, die sich an der Bordwand brachen, und den Horizont, der sich ebenfalls zu bewegen schien. Draußen ging es mir deutlich besser. Ich blieb ein paar Minuten stehen und schloss die Augen.

    13.00 Uhr
    Herr Luttkus musste die Wetterbeobachtungen machen und ins Logbuch eintragen. Einmal pro Stunde muss das erledigt werden, erklärte er mir. Die

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