Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
verheiratet?«, fragt mich Eileens Mutter plötzlich. »Du und dein Freund, ihr seid doch auch schon seit ein paar Jahren zusammen, oder?«
Was soll ich auf diese Frage antworten? Soll ich sagen, dass zum Heiraten immer zwei gehören? Dass es schwierig ist, einen Termin zu finden, weil er immer unterwegs ist? Dass Heribert mich mit der Organisation eines solchen Festes nicht allein lassen möchte?
»Wenn man mal seine Seefahrtzeit abzieht, sind wir eigentlich gerade erst zusammengekommen. Er ist schließlich nie da«, antworte ich knapp, lächle dabei und lasse es wie einen Witz klingen. Es hat funktioniert. Jetzt lachen alle. Sogar Vito lacht.
Nach dem Frühstück zeigt Eileen mir mein Zimmer. Ich freue mich auf eine Dusche und darauf, endlich meine Thrombose-Strümpfe loszuwerden. Eileen und ihre Familie wollen ein bisschen shoppen gehen, aber darauf habe ich keine Lust. Ich möchte in die Stadt und mir noch etwas die Beine vertreten. Eigentlich bin ich müde und würde mich am liebsten hinlegen. Aber ich habe mir fest vorgenommen, den Tag durchzuhalten, damit ich nicht so schlimm unter den zehn Stunden Zeitverschiebung leide.
Ich fahre mit dem Bus in die Stadt und gehe spazieren. Als ich am Circular Quay ankomme, dem Verkehrsknotenpunkt am Fährhafen von Sydney, habe ich das Gefühl, als wäre ich erst vor ein paar Tagen hier gewesen. Ich erkenne alles auf Anhieb wieder. Ich weiß sofort, wo ich bin und wo sich was befindet. Das ist keineswegs selbstverständlich. Mein Orientierungssinn ist nämlich eine Katastrophe.
Ich laufe durch die angrenzenden Straßen. Ich genieße die Wärme, die Sonne und die ganze Atmosphäre. Ich atme tief ein und versuche, mich zu entspannen. Schließlich habe ich Urlaub. Doch auf einmal werde ich ganz sentimental. Ich erinnere mich daran, wie ich vor ein paar Monaten genau hier mit Heribert entlanggegangen bin. Ich richte meinen Blick nach oben, von hier kann ich die Terrasse von Eileens Firma sehen. Dort haben wir Silvester gefeiert. Ich bleibe stehen, merke dann aber, wie ich immer trauriger werde. Schnell gehe ich weiter. Ich laufe vorbei an dem Eisgeschäft, in dem Heribert und ich öfter Eiscreme kauften und Eileen einen Becher ins Büro brachten. Ich laufe vorbei an den Touristen-Shops, in denen Heribert und ich nach kleinen Mitbringseln für unsere Familien und Freunde suchten. Und plötzlich stehe ich vor dem kleinen asiatischen Restaurant, in dem wir an unserem letzten Abend zum Dinner waren. Von einem Moment auf den anderen bin ich wütend auf Heribert. Warum musste er ausgerechnet Seemann werden? Dieser verdammte Egoist. Im gleichen Moment tun mir meine Gedanken auch schon wieder leid. Wahrscheinlich bin ich nur müde und deshalb so schlecht gelaunt, denke ich. Ich beschließe, in den Botanischen Garten zu gehen und mich etwas auszuruhen. Ich laufe am Ufer entlang zur Oper. Dann bleibe ich stehen. Ich sehe hinunter auf die Pflastersteine. Genau an dieser Stelle habe ich ein Foto von uns gemacht. Genau hier haben wir gestanden. Hinter uns die Oper und die Hafenbucht. Vor uns die Cafés mit ihren ganzen Sonnenschirmen. Wir haben die Köpfe zusammengesteckt, ich habe meinen rechten Arm ganz lang ausgestreckt und bei drei auf den Auslöser gedrückt. Solche Selbstporträts gelingen eigentlich nie. Meistens ist auf den Bildern der Arm zu sehen, mit dem man das Foto gemacht hat und der merkwürdig aus dem Bildrand ragt. Auch die Proportionen der Köpfe stimmen für gewöhnlich nicht, weil man die Kamera zu nah am Körper hält. Und dennoch, seit es Digitalkameras gibt, macht man ständig solche Bilder. Zu zweit ist es allerdings weniger peinlich, als sich allein zu fotografieren. Aber auch das habe ich schon geschafft.
Als ich vor ein paar Monaten genau an dieser Stelle das Foto auf dem Display überprüfte, sah ich, dass Heribert in dem Moment, als ich auf den Auslöser drückte, eine Grimasse geschnitten hat. Er sah aus wie ein Kugelfisch. Seine Augen hat er weit aufgerissen, seine Backen mit ganz viel Luft gefüllt, und dann hat er in die Kamera geschielt. Als ich das Foto sah, musste ich lachen. Auch jetzt muss ich lachen, weil ich an dieses Bild denke. Heribert wollte mich ärgern. Er ist immer schnell genervt, wenn ich zu viele Fotos mache. Vor allem ist er genervt, wenn ich zu viele Fotos von ihm mache. Er versteht nicht, warum ich immer alles fotografisch festhalten muss. Und ich verstehe nicht, wie man das nicht verstehen kann. Ich liebe es, mich hinzusetzen und
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