Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
gut, ab und zu erzähle ich auch von meinen Eltern und meiner Schwester, aber wie gesagt, hauptsächlich rede ich von dir. Er scheint glücklich verheiratet zu sein, und wenn wir so miteinander reden, denke ich oft daran, wie es wohl mit uns beiden weitergehen wird. Ich glaube nämlich, dass wir beide es gar nicht so schlecht getroffen haben. Ich meine jetzt dich und mich. Ich liebe dich nämlich so wahnsinnig, dass mir die Seefahrt manchmal gar keinen Spaß mehr macht. Dann sitze ich hier, höre traurige Musik und frage mich, warum ich jetzt nicht einfach bei dir bin. Ich würde gerade wahnsinnig gern mit dir einen Spaziergang machen. Ja, du hast richtig gelesen, ich hätte gerade wahnsinnig Lust darauf, mit dir durch Berlin zu laufen. Heute ist der 29. April, einen Monat noch, dann ist es endlich so weit, und ich darf nach Hause. Meine Güte, ich freue mich schon so sehr auf unser Wiedersehen.
Aber ich muss dir ehrlicherweise auch sagen, dass die Seefahrt noch immer mein Traum ist. Es ist zwar nicht ganz so, wie ich es mir immer vorgestellt habe, aber es gibt viele Tage, an denen mir mein Beruf richtig viel Spaß macht. Aber keine Angst, ich träume auch schon von unserer Hochzeit, unseren vielen Kindern und meinem schönen Landjob, irgendwo da, wo du bist. Ich glaube, ich muss noch mal kurz etwas klarstellen: Als du mich in Singapur am Telefon gefragt hast, ob ich dich heiraten möchte, habe ich auch nur aus Spaß »Nein« gesagt. Denn damit du eines weißt: Du bist meine Nummer eins! Ich liebe dich, ich brauche dich und ich möchte mit dir zusammen alt werden. Danke, dass du immer für mich da bist, dass du so viele Briefe schreibst und so oft an mich denkst. Ich schreibe dir vielleicht nicht ganz so oft, aber es gibt keine Sekunde, in der du nicht in meinen Gedanken bist. Ich liebe dich, und ich vermisse dich wahnsinnig doll.
Bis ganz bald. Dein Heribert
Es klingelt an der Tür. Ich werde wach und lausche, was passiert. Ich muss kurz überlegen, wo ich bin. Ach ja, bei Eileen in Australien. Jemand läuft schnellen Schrittes durch den Flur. Ich höre Frauen miteinander reden. Die Stimmen sind sehr hoch. Jetzt wird gelacht. Ich höre Eileen, sie spricht englisch. Ich kann aber nicht verstehen, was sie sagt. Ich höre, wie mehrere Leute an meinem Zimmer vorbei zum Wohnzimmer laufen. Jemand zieht einen Rollkoffer hinter sich her, die Dielen knarren bei jedem Schritt. Wahrscheinlich sind das die Friseurin und die Frau für das Make-up, denke ich. Heute ist Eileens Hochzeit.
Mit noch geschlossenen Augen taste ich neben dem Bett nach meinem Handy. Ich öffne mein rechtes Auge einen Spalt und sehe auf das Display. Es ist 7.25 Uhr. Am liebsten würde ich mich wieder umdrehen und noch ein bisschen weiterschlafen. Aber dann sehe ich diesen kleinen gelben Briefumschlag auf dem Display meines Telefons. Ich habe eine SMS bekommen. Mit einem Schlag bin ich hellwach.
»Liebste Nancy, bei mir ist es zwar noch nicht Mitternacht, aber bei dir ist jetzt schon der 20. November. Und deshalb möchte ich dir danke sagen. Danke, dass ich seit zehn Jahren mit dem wundervollsten Menschen der Welt zusammen sein darf. Danke für deine Geduld und dein Verständnis. Danke für die schönste Zeit in meinem Leben! Ich liebe dich! PS: Wir werden auch bald heiraten. Versprochen.«
Die SMS ist von Heribert. Ich halte das Telefon in meiner Hand und schließe die Augen. Ich hatte unser Jubiläum schon fast verdrängt. Natürlich wollte ich ihm heute auch noch eine SMS schreiben, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass er das vor mir tun würde. Eigentlich gehören wir nicht zu den Paaren, die ihren Jahrestag feiern. Meistens war Heribert gar nicht zu Hause. Oder wir vergaßen ihn einfach.
In diesem Jahr aber ist es etwas anderes. Zum einen sind wir seit zehn Jahren zusammen. Zum anderen war das Datum wegen Eileens Hochzeit sehr präsent. Wahrscheinlich habe ich Heribert in den vergangenen Wochen und Monaten so sehr damit genervt, dass er gar nicht anders konnte, als es sich zu merken. »Eigentlich müssten wir doch an diesem Tag heiraten«, habe ich immer wieder zu ihm gesagt. Ich lese die SMS noch einmal. Nach einem tiefen Seufzer stehe ich auf.
Eileen dreht ihren Kopf über die Schulter und betrachtet sich mit skeptischem Blick im Spiegel. Sie sieht wunderschön aus. Ihr Brautkleid ist schneeweiß und besteht aus unglaublich vielen Lagen weißen Tülls. Eileens Kleid ist bodenlang, schulterfrei und hat keine Ärmel. Am Oberkörper
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