Seepest
Stille, niemand rührte sich.
Endlich kam von Sommer die erste Reaktion: »Das wäre ja … ungeheuerlich wäre
das!«
»Kennen Sie Einzelheiten?«, wollte Seliger wissen,
nachdem er erst mal tief Luft geholt hatte.
»Es soll sich um einen Sprengstoffanschlag handeln.
Die ›Prestige‹ ist wohl in der Zwischenzeit gesunken. Ihre Ladung –
siebzigtausend Tonnen Rohöl, das muss man sich mal vorstellen! – ist demnach
komplett ins Meer geflossen.«
Seliger überlegte kurz. »Sie meinen also, Biotecc
steckt auch da mit drin? Nein, das kann ich nicht glauben!«
»Jedenfalls wird die Sache inzwischen in der
spanischen Presse als Anschlag behandelt. Angeblich wurden bereits drei
Tatverdächtige festgenommen, die eine große Geldsumme mit sich führten, so
hoch, dass der Verdacht naheliegt, es könnte sich um den Lohn für die Tat
handeln.«
»Ungeheuerlich!«, murmelte Sommer noch einmal.
»Allerdings sind wir, um wirklich weiterzukommen, auf
Ihre Hilfe angewiesen, Dr. Seliger.«
»Nun lassen Sie die Katze schon aus dem Sack, mein
lieber Wolf!«
»Wir brauchen eine Genehmigung zur Konteneinsicht bei
Biotecc, einschließlich der Gesellschafterkonten. Die Summe, die in Spanien
sichergestellt wurde, beträgt dreihundertzwanzigtausend Euro und entspricht
ganz genau dem in einem anonymen Schreiben an uns genannten Geldbetrag. Es wird
darin nicht explizit gesagt, aber nach Lage der Dinge weiß ich nun, dass in dem
Schreiben eine Verbindung des Tankerunglücks zu Biotecc unterstellt wird. Doch
nur wenn sich die Herkunft der dreihundertzwanzigtausend Euro zweifelsfrei auf
Biotecc oder ihr nahestehende Personen zurückführen lässt, wird unsere
Vermutung zur Gewissheit. In diesem Fall bin ich mir übrigens ziemlich sicher,
dass noch weitere Beträge auftauchen werden, die mit unserem Fall in
Zusammenhang stehen.«
»Und Sie meinen, so kommen wir an den oder die Täter
ran? Verstehe.« Seliger nickte. »Aber ich sag Ihnen gleich, meine Herren, das
wird nicht einfach. Wir reden hier schließlich nicht über die Kassenprüfung bei
einem Schützenverein, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Plötzlich schien ihm
etwas einzufallen. »Möglicherweise müssen wir sogar die Steuerfahndung
hinzuziehen … ja, richtig, so könnte es laufen.«
Ein Ober näherte sich ihrem Tisch. »Darf ich fragen,
ob etwas nicht zu Ihrer Zufriedenheit ist, meine Herren?«
»Sie meinen, weil wir nicht schon längst essen?«,
fragte Sommer freundlich. »Sehr aufmerksam von Ihnen, aber ich kann Sie
beruhigen. Wir haben uns dummerweise an einem Problem festgebissen … ein
unverzeihlicher Fehler, den wir sofort korrigieren werden. Lasst es euch
schmecken, liebe Kollegen!«
»Dann wünsch ich den Herren recht guten Appetit!«
»Danke.«
Tatsächlich sprachen sie in der Folge eifrig dem Essen
zu, bis Seliger schließlich das Besteck sinken ließ. »Um auf Ihre Forderung
bezüglich der Konteneinsicht zurückzukommen, Herr Wolf: Kommen Sie gleich
morgen früh in mein Büro, ich lasse die Genehmigung für Sie vorbereiten. Und
bitte halten Sie mich über jede Nachricht auf dem Laufenden.«
Wolf und Sommer nickten mit vollem Mund.
Nur fünf Minuten später brach Seliger abermals das
Schweigen und hob sein Glas. Er wirkte erleichtert. »Immerhin kann ich den
Medien jetzt endlich brisante Informationen in Aussicht stellen, eh die mich
steinigen. Darauf sollten wir trinken. Prost, meine Herren!«
Auch Wolf hob sein Glas, ohne jedoch zu trinken. Ihn
beschäftigte noch etwas anderes. »Nichts liegt mir ferner, als Ihre Freude zu
trüben, Dr. Seliger. Nur … wie kommen Sie in dieser Sache mit Schneidewind
klar? Ich meine, schließlich war das ja ursprünglich sein Fall?«
»War, mein Lieber, die Betonung liegt auf ›war‹! Dr. Schneidewind
ist derzeit wegen interner Ermittlungen beurlaubt – aber hängen Sie das um
Gottes willen nicht an die große Glocke. Jedenfalls haben wir Ihre Hinweise
aufgegriffen und gewisse Nachforschungen angestellt. Deshalb auch meine Idee,
die Steuerfahndung einzuschalten. Möglicherweise werden von gewissen Konten ja
nicht nur Leute bezahlt, die Tanker in die Luft sprengen …«
12
An diesem Morgen fühlte sich Karin alt und
verbraucht, und sie wusste auch, weshalb. Am Abend zuvor war es spät geworden.
Drei Stunden lang hatten sie im »Don Miguel« auf José gewartet – vergebens.
Auch telefonisch war er nicht zu erreichen gewesen, und ohne José wollte Pablo
nicht reden. »Du musst das verstehen: Es ist seine
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