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Seepest

Seepest

Titel: Seepest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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Angst zu überspielen.
    »Sie! Ich will Sie!«, stieß der junge Mann halblaut
hervor.
    »Ich versteh dich nicht …«
    »Sie sollen ›Sie‹ zu mir sagen … ich bin kein Kind
mehr.« Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern: »Ich werde Sie töten, wie Sie
meinen Vater getötet haben!« Sein Deutsch war flüssig, mit einem leichten
spanischen Akzent.
    Er ließ sich Alex gegenüber in einen Sessel sinken.
Dem lief es inzwischen eiskalt über den Rücken … offenbar hatte er es mit einem
Psychopathen zu tun! Ja nicht klein beigeben, keine Schwäche zeigen, ermahnte
er sich. Abermals unternahm er einen Versuch, die Situation in den Griff zu
bekommen. »Ich verstehe nicht – ich soll deinen … Ihren Vater getötet haben?
Wie meinen Sie das? Ich kenne Ihren Vater überhaupt nicht.«
    »Um so schlimmer. Wahrscheinlich wissen Sie nicht
einmal, wovon ich rede, wahrscheinlich halten Sie mich für verrückt. Und doch
sind Sie der Mörder meines Vaters.«
    »Wie kommen Sie darauf? Ich habe Ihren Vater nie
gesehen, geschweige denn, dass ich ihn getötet hätte. Das Ganze ist nichts als
ein entsetzlicher Irrtum.«
    »Kein Irrtum! Ihre Leute haben ihn erschossen, als sie
den Tanker sprengten, die ›Prestige‹. Weil er sich mit seinem Fischerboot
zufällig in der Nähe aufhielt und Zeuge des Attentats wurde.«
    »Hören Sie …«
    » Sie haben den Auftrag zu
dem Attentat erteilt, aus bloßer Gewinnsucht, kalt und unbarmherzig. Und
genauso werden Sie sterben, das hab ich geschworen. Ich wollte, dass Sie das
wissen, bevor ich abdrücke.«
    Plötzlich war Alex wild entschlossen, dem Spuk ein Ende
zu bereiten und gleichzeitig seine Angst zu besiegen. Der Einsatz war hoch: Es
ging um nichts weniger als sein Leben. Doch er musste es versuchen. Langsam
erhob er sich und streckte die Hand aus. »So, mein Junge, ich würde sagen, du
gibst mir jetzt die Waffe und verpisst dich, dann will ich den Vorfall
vergessen. Versau dir nicht dein weiteres Leben wegen einer unbewiesenen
Behauptung …«
    Der junge Mann war ebenfalls aufgesprungen. »Gehen Sie
weg!«, rief er mit schriller Stimme.
    Doch Alex ging unbeirrt weiter. Jetzt wollte er es
wissen. Er wollte mit seinem kaltblütigen Auftreten dem Eindringling den
Schneid abkaufen – und übersah dabei, dass er ihn in die Enge trieb, ihm keinen
Ausweg mehr ließ. Er hatte den jungen Mann fast erreicht, als dieser aus einem
der Sessel ein Kissen hochriss, es vor die Pistole hielt und abdrückte.
    Vermutlich entging Alex nur durch einen Zufall dem
Tod.
    Nur Sekundenbruchteile vor dem Schuss war an der Tür
ein lautes Pochen zu hören gewesen, gefolgt von der Aufforderung: »Aufmachen,
Polizei!« Immerhin, Alex’ Unterbewusstsein reagierte darauf. Reflexartig schlug
er die Waffe zur Seite und spürte kurz ein Brennen an der linken Hüfte … ein
Streifschuss vielleicht, nicht weiter schlimm. Ohne lange zu fackeln, griff er
blitzschnell zu und entwand seinem Gegenüber die Waffe.
    Währenddessen war mit dem Jungen eine seltsame
Wandlung vor sich gegangen. Als wäre er soeben einer großen Gefahr entronnen,
rannte er zur Tür, riss sie auf und empfing die eindringenden Polizisten mit
einem Schwall spanischer Worte, die Alex nur teilweise verstand: »Ein Glück,
dass Sie kommen … da hinten ist er. Vorsicht … bewaffnet … wollte mich
erschießen …«
    Die Polizisten, drei kräftige Männer in der grünen
Uniform der Guardia Civil , stürmten an ihm vorbei.
Ehe Alex bis drei zählen konnte, hatten sie ihm die Pistole abgenommen und
Handschellen angelegt.
    »Moment mal, meine Herren«, protestierte Alex, »Sie
haben den Falschen festgenommen. Ich bin es, der
überfallen wurde … von dem jungen Mann, der Sie hereingelassen hat. Sie müssen
ihn festhalten … halten Sie ihn fest!«
    Die Polizisten jedoch ließen sich nicht aus der Ruhe
bringen. Während einer von ihnen Alex’ Pass verlangte, hinderten ihn die
anderen daran, dem jungen Mann nachzusetzen. Es dauerte einige Minuten, bis
sich einer der Männer endlich zur Eingangstür bequemte. Gleich darauf kam er
achselzuckend zurück. Dem folgenden Stakkato konnte Alex lediglich entnehmen,
der hombre , der sie eingelassen hatte, sei inzwischen
verschwunden, desgraciadamente .
    Nachdem der eine Beamte Alex’ Pass ausgiebig studiert
und das Passfoto mehrfach mit seinem Gesicht verglichen hatte, zog er ein
Schriftstück aus der Tasche, das er Alex unter die Augen hielt. Sodann setzte
er ein amtliches Gesicht auf und verkündete in

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