Seepest
Eisen im Feuer: die Schlüssel für den
Mietwagen und das Schließfach zum Beispiel. Da wartete noch ein hartes Stück
Arbeit auf sie. Schon während der Rückfahrt hatte sie sich gefragt, wie sie den
gesuchten Wagen finden sollte. Auf welchem der abertausend Abstellplätze, die
es in Überlingen gab, hatten Kauder und Abul den Mietwagen abgestellt?
Schlimmer noch: Wer konnte sagen, ob die Karre überhaupt in Überlingen stand –
und nicht etwa in Sipplingen, Ludwigshafen oder Konstanz, um nur ein paar der
infrage kommenden Seeorte zu nennen?
Sie versuchte, dem Problem durch logisches Denken
beizukommen. Fest stand, dass die beiden Männer bei Avis in Überlingen einen
Wagen und in einem Hotel in Ludwigshafen ein Zimmer gemietet hatten – in
welcher Reihenfolge, das war noch offen. Das Zimmer jedenfalls legte nahe, dass
sie von außerhalb angereist waren, vermutlich mit der Bahn. Ziemlich sicher,
überlegte sie weiter, hatten sie gleich bei ihrem Eintreffen in Überlingen den
Wagen besorgt und waren damit nach Ludwigshafen gefahren.
Wichtig für ihre Recherchen war zunächst der genaue
Zeitpunkt der Wagenbeschaffung und die Zahl der gefahrenen Kilometer; danach
würde sich der zeitliche Ablauf relativ leicht bestimmen lassen. Also musste
sie zuerst mit dem Autovermieter sprechen.
Danach würde sie sich auf die Suche nach dem
Schließfach machen. Dieser Teil der Aufgabe schien ihr bei Weitem einfacher,
schließlich hielt sich die Zahl der Schließfachanlagen in der Umgebung in
Grenzen, und die Standorte waren leicht herauszubekommen: Zug- und Busbahnhöfe,
Kauf- und Parkhäuser sowie herausragende touristische Ziele boten sich an – das
müsste mit zwei, drei Telefonaten in Erfahrung zu bringen sein.
Fünfzehn
Minuten später hatte Jo nicht nur eine von Terrys Brezeln verdrückt, sondern
auch einige Telefonate geführt. Eine Angestellte des Autovermieters hatte ihr
bestätigt, dass Rolf Kauder und Ibrahim Abul gestern gegen elf Uhr
fünfundvierzig bei ihr einen hellgrauen Audi A3 mit dem Kennzeichen KA–AV , gefolgt von einer
vierstelligen Nummer, gemietet hatten. Kauder hatte einen ordnungsgemäß
ausgestellten Führerschein vorgelegt, nichts an den beiden war auffällig
gewesen, außer dass sie sich relativ schweigsam verhalten hatten. Mit dem
Kilometerstand, den man ihr nannte, konnte Jo zunächst wenig anfangen, da sie
den aktuellen Stand nicht kannte, sprich den Wagen noch nicht gefunden hatte.
Aus der Tatsache jedoch, dass der Wagen erst gestern übernommen worden war,
ließ sich unschwer schließen, dass die beiden Männer wohl kaum eine große
Strecke gefahren waren. Es sei denn … ja, es sei denn, sie hatten das Boot in
Bregenz abgeholt und waren damit zur Mainau geschippert. In diesem Fall hätte
sie verdammt schlechte Karten, dann müssten die Kollegen aus Bregenz
eingeschaltet werden. Allerdings glaubte sie nicht recht daran. Warum sollten
die beiden Männer dann ein Zimmer in Ludwigshafen mieten?
In dieser Sache konnte ihr auch Terry, von Wolf mit
dem Kontakt zu den Bregenzer Bootsvermietern betraut, keine Begründung liefern;
er hatte die Leute schlicht noch nicht erreicht – sie machten gerade
Mittagspause.
Jo seufzte und beschloss, sich um das Schließfach zu
kümmern.
***
Wolf
hatte nach einigem Suchen Hindemiths Direktdurchwahl gefunden und gewählt.
Während er auf die Verbindung wartete, peitschten Regentropfen ans Fenster,
eine dunkle Wolke zog von Konstanz her über den See. Ungemütliches
Schauerwetter.
»Hindemith.«
»Leo Wolf hier, hallo, Gerhard.«
»Du, Leo? Welche Überraschung. Sei gegrüßt, mein
Alter.«
»Du weißt doch: Der Herr kommt stündlich, wie es in
der Bibel heißt. Aber zugegeben, ich rufe aus einem bestimmten Anlass an …«
»Sag bloß, meine Freunde machen dir wieder Kummer?«
»Du meinst die Penner auf dem Münsterplatz? I wo,
die sind bis heute erstaunlich zahm. Es ist, als bräuchten sie für Randale
ihren Anführer Goebbels.«
Hindemith lachte schallend. »Das will ich hoffen. Also,
wo ist die Kacke diesmal am Dampfen? Halt, lass mich raten: Es geht um die
Jacht, die letzte Nacht vor der Mainau in die Luft geflogen ist, hab ich
recht?«
»Woher weißt du?«, staunte Wolf.
»Unser Sprengstoffexperte hat mitermittelt, schon
vergessen?«
»Stimmt ja. Um es kurz zu machen: Es besteht der
begründete Verdacht, dass an dem Anschlag eine Gruppe islamistischer
Fundamentalisten beteiligt sein könnte. Du weißt, dass wir in solchen Fällen
das LKA
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