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Seepest

Seepest

Titel: Seepest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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Nummern 301 bis 308
aufgemalt.
    Mit fahrigen Händen suchte sie den Schlüssel heraus,
den sie vor knapp drei Stunden in dem Hotelzimmer gefunden hatten. Er trug die
eingeprägte Zahl 304.
    Volltreffer!
    Noch einmal holte sie tief Luft. Dann wählte sie die
Tür mit der gleichen Ziffernfolge und führte den Schlüssel in das Schloss. Er
passte. Erwartungsvoll drehte sie ihn um. Langsam, ganz langsam öffnete sie die
Klappe – und starrte mit offenem Mund in das dunkle Fach.
    ***
    Sosehr
Alex Rottmann das öffentliche Interesse auch genoss, so erleichtert war er, den
Hörer endlich aus der Hand legen zu können. Zwei geschlagene Stunden hatte er
am Telefon gesessen, hatte neugierigen Reportern Rede und Antwort gestanden und
teils aufrichtige, teils neidvolle Reverenzen entgegengenommen. Kaum hatte er
einen Anrufer abgefertigt, stellte Heidelinde schon den nächsten durch – bis er
die Schnauze gestrichen voll gehabt und alle nachfolgenden Gespräche an Paul
Stratton delegiert hatte. Der steckte in dem Thema ebenso tief drin wie er.
Und: Stratton konnte gut mit Medienvertretern umgehen, traf den richtigen Ton,
ohne allzu viel auszuplaudern.
    Er selbst wollte erst mal raus hier, brauchte Abstand,
musste gründlich entspannen. Der Tag hatte noch früher als sonst begonnen; es
würde ihn nicht wundern, wenn er auch später als sonst endete. Hatte ihm der
General nicht Sanktionen nach seiner Rückkehr angedroht? Nicht dass Alex
Rottmann sich davor fürchtete, beileibe nicht. In der Familie wurde selten
etwas so heiß gegessen, wie der General es kochte. Trotzdem …
    Dieses »Trotzdem« gab den Ausschlag. Kurzerhand
beschloss er, die nächsten Stunden auf dem Boot zu verbringen, in rundum
angenehmer Gesellschaft, versteht sich. Das hatte er sich wahrhaftig verdient!
    Schon malte er sich aus, welche seiner zahlreichen
Gespielinnen ihm den Nachmittag versüßen würden, als ihm gerade noch
rechtzeitig etwas Wichtiges einfiel: Vor seinem Abgang musste er wissen, wann
genau mit der Rückkehr des Generals zu rechnen war. Und die Nachforschungen
nach dem »Maulwurf« im Hause mussten umgehend aufgenommen werden. Als
Geschäftsführer und Leiter der Entwicklungsabteilung – von seiner Position als
Nummer zwei im Rottmann-Clan einmal ganz zu schweigen – fand er den Gedanken
schlichtweg unerträglich, von einem willfährigen Speichellecker des Generals
observiert zu werden. Umso mehr, als es im Fall der FE .23-Erprobung um die Zukunft des Unternehmens ging – eine Zukunft, für die
der General, wie es schien, jeglichen Weitblick vermissen ließ.
    Er drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage.
»Lindchen, kommst du mal?«
    Gleich darauf streckte Heidelinde Damerow den Kopf zur
Tür herein und fragte kühl: »Ja, Herr Rottmann?«
    »Ich habe meine Notiz verlegt«, log er. »Wann genau
ist mit der Ankunft meines Onkels zu rechnen?«
    »Soweit ich weiß, trifft er um Mitternacht mit einem
gecharterten Learjet in Friedrichshafen ein. Jacques holt ihn ab.«
    Das deckte sich mit seinen Informationen. Alex
verkniff sich die Frage, warum ihn Lindchen darüber nicht schon früher – und
von sich aus! – in Kenntnis gesetzt hatte. Argwöhnisch sah er zu ihr hinüber –
und plötzlich wurde ihm abwechselnd heiß und kalt. War es möglich, dass
Heidelinde, auf deren Tisch alle Fäden seiner Forschungsprojekte
zusammenliefen, die gesuchte undichte Stelle war? Hatte der General sie auf
seine Seite gezogen, um ihn auf diesem Wege überwachen zu können? Zuzutrauen
wäre es ihm. Andererseits: Je mehr er darüber nachdachte, desto
unwahrscheinlicher schien es ihm. Lindchen? Für so was war sie nicht der Typ.
Oder etwa doch? Zugegeben, schon seit Tagen verhielt sie sich etwas sperrig,
aber er kannte die Gefühlswelt »seiner« Frauen – auch und gerade die von
Heidelinde Damerow, er hatte sie schließlich über Wochen hinweg studiert. In
ihren Augen hatte er als Mann und – weit schlimmer – als Liebhaber versagt. Das
hatte bei ihr Enttäuschung verursacht, vielleicht sogar Hass – aber Verrat? Niemals!
Nicht bei Lindchen.
    Und wenn doch? Mit einer energischen Handbewegung
versuchte er, seine Zweifel zu verscheuchen.
    »So viel zum Thema Nachtlandeverbot«, sagte er in
betont flapsigem Ton.
    »Wundert Sie das – bei seinen Beziehungen?«, gab
Heidelinde im Hinausgehen über die Schulter zurück.
    Hörte er da so etwas wie Missbilligung heraus? Und
wenn ja: Würde sie die äußern, wenn sie tatsächlich mit dem General

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