Seepest
einschalten müssen. Ich dachte nun, wir
könnten das vielleicht auf dem kleinen Dienstweg regeln …«
»Du meinst, die Sache so lange auf kleiner Flamme
köcheln lassen, bis sich euer Verdacht erhärtet oder, noch besser, von selbst
erledigt hat – verstehe ich dich recht?«
»So ist es.«
»Tja, tut mir leid, Leo, da muss ich dich enttäuschen.
Ich mach morgen früh die Fliege, zwei Wochen Lehrgang in Freiburg. Stinkt mir
gewaltig, aber was soll ich machen? Kollege Bretzinger vertritt mich so lange.«
»Auch das noch«, entfuhr es Wolf. Er kannte Ludwig
Bretzinger von früheren Begegnungen. Der Mann war ein Griffelspitzer, wie er im
Buche stand.
»Sag jetzt nichts«, fuhr Hindemith fort, »ich weiß,
was du denkst. Aber so ist es nun mal, Befehl von oben. Ich kann dir allenfalls
anbieten, euren Fall mit heutiger Faktenlage in den Info-Pool zu stellen. Er
gilt dann beim LKA formal als erfasst, löst aber
noch keine Aktivitäten aus. Sollte die Angelegenheit im Sande verlaufen, ist
alles paletti, ansonsten hast du’s mit Bretzinger zu tun, tut mir leid. Also?«
»Danke, so machen wir’s.«
»Gut. Dann lass mal die Fakten hören.«
Wolf schilderte ihm den Hergang des Falles und was sie
bereits unternommen hatten.
»Das heißt, außer diesem Flugblatt, das euch in zwei
Versionen vorliegt, habt ihr im Augenblick nichts Konkretes in der Hand,
richtig?«, vergewisserte sich Hindemith.
»So ist es. Die Spurenlage ist mehr als dürftig, vor
allem, weil wir die beiden Männer aus dem Wrack noch nicht einschätzen können.«
»Habe verstanden. Ich brauche eine Kopie der beiden
Flugblätter. Du sagst, ein Teil des Textes sei in Arabisch gedruckt?«
»Ja. Sommer hat eine Übersetzung angefordert, er kennt
da einen BKA -Spezialisten.«
»Gut. Ich mache eine Notiz über die Sache und stelle
sie, zusammen mit deinen Unterlagen, wie besprochen in den Info-Pool ein. Mehr
kann ich im Augenblick nicht für dich tun. Von Bretzinger musst du aber bis auf
Weiteres keine eigenmächtigen Einmischungsversuche fürchten. Der Kollege hat
einen komplizierten Fall am Hals, Falschgeld und Devisenschmuggel. Beschäftigt
ihn mehr, als ihm lieb ist.«
»Er wär auch das Letzte, was wir jetzt gebrauchen
könnten«, seufzte Wolf und wechselte das Thema.
Der Rest des Gespräches verlor sich in Erinnerungen an
Goebbels’ Pennertage.
***
Jo
war frustriert. Sie passierte gerade die Einfahrt zum Parkhaus Stadtmitte.
Flüchtig sah sie auf die Uhr: schon nach halb zwei. In gut zwanzig Minuten
musste sie zurück sein, und sie hatte noch nicht das Geringste erreicht. Es war
zum Verrücktwerden!
Dabei schien zunächst alles so einfach zu sein. Sie
hatte die Kollegen in Ludwigshafen angerufen und sich sagen lassen, dass es im
ganzen Ort keine Schließfächer gab. Zudem hatte sie das Kennzeichen des
Leihwagens durchgegeben und darum gebeten, postwendend zwei Mann auf die Suche
zu schicken – aus Überlinger Sicht kein unbilliges Verlangen, schließlich war
das idyllische Ludwigshafen ein überschaubarer Ort.
Danach hatte sie sich telefonisch mit dem
Fachbereichsleiter Bürgerservice von der Hauptverwaltung der Stadt Überlingen
in Verbindung gesetzt. Der war nicht im Geringsten erstaunt gewesen, als sie
ihn nach den Standorten der Schließfachanlagen im Stadtgebiet und speziell beim
Bahnhof gefragt hatte. Den Bahnhof könne sie schon mal vergessen, dort gäbe es
keine, begann er seine Ausführungen. Dann hatte er ihr auf Anhieb fünf Adressen
genannt. Vier davon hatte sie bereits abgeklappert – ergebnislos. In keiner der
Anlagen hatte sich ein Fach mit der Nummer ihres Schlüssels befunden. Nun war
das Parkhaus Stadtmitte in der Wiestorstraße ihre letzte Chance.
Jo stellte auf dem oberen Parkdeck ihren Dienstwagen
ab und folgte den Schildern in Richtung Ausgang. Dort müsste sie, falls der
Rathausmitarbeiter sie richtig informiert hatte, auf die Schließfächer stoßen.
Als sie endlich davorstand, wurde sie plötzlich
unsicher. Das sollte eine Schließfachanlage sein? Es handelte sich um gerade
mal acht ziemlich flache Boxen, aus Stahlblech gefertigt und von einem
Stahlrohrrahmen umfasst. Die Türen der Fächer waren mit den üblichen
Sicherheitsschlössern ausgerüstet, in die man eine Euromünze stecken musste,
damit man sie öffnen, sein Gepäck einstellen und den Schlüssel abziehen konnte.
Als Jo näher trat und die Fächer inspizierte, war ihre anfängliche Enttäuschung
sogleich wieder vergessen. Auf den Türen waren die
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