Seerache
So, und jetzt entschuldigt mich bitte, ich habe noch etwas Dringendes zu erledigen.«
Sprach’s und entschwand in sein Büro.
***
Auf dem Parkplatz der Fernfahrer-Raststätte »TruckStop« an der vielbefahrenen B31 nahe Meersburg drängte sich Lastzug an Lastzug. Mittendrin, auf der Suche nach einem freien Stellplatz, ein unauffälliger schwarzer Volvo. Endlich fand sich, unweit des Eingangs, eine ausreichend große Lücke.
Der Wagen war kaum zum Stillstand gekommen, da wurden auch schon die vorderen Türen geöffnet. Zwei schwarz gekleidete Hünen mit kahlgeschorenem Schädel stiegen aus. Argwöhnisch musterten sie die Umgebung, bevor sie die wenigen Stufen zum Eingang hinaufstiegen und in der Raststätte verschwanden.
Schon beim Betreten des Restaurants schallte ihnen lautes Stimmengewirr entgegen, es war stickig warm und die Luft zum Schneiden. Wie stets um die Mittagszeit waren so gut wie alle Tische belegt. Wer nicht vor einem Teller saß, klebte am Fernseher oder an den Spielautomaten.
Noch während sie sich suchend umsahen, trat aus dem Hintergrund ein Mann mit verwegenem Dreitagebart auf sie zu. Obwohl bereits jenseits der Fünfzig und einen guten Kopf kleiner als die beiden, schien er vor Selbstbewusstsein zu strotzen. »Verdammt«, zischte er, »ich hab euch schon tausendmal gesagt, ihr sollt die Hintertür nehmen. Geht das nicht in euer Spatzenhirn rein?« Unsanft fasste er die beiden am Arm und versuchte, sie zur Seite zu ziehen.
»Lass los, Borowski«, knurrte der Größere der beiden. »Sag uns lieber, warum du uns herbestellt hast.«
Von jetzt auf gleich schien Borowskis Unmut verflogen, er rang sich ein kühles Lächeln ab. »Aber Igor, doch nicht hier«, entgegnete er spöttisch, »es sei denn, du willst unser Gespräch morgen in der Zeitung lesen. Kommt, wir gehen nach hinten«, bestimmte er. Ohne sich weiter um sie zu kümmern, drehte er sich um und ging davon. Geschickt umkurvte er das Menschenknäuel an der Theke, um gleich darauf durch eine Tür mit der Aufschrift »Privat« zu verschwinden. Zögernd folgten ihm die beiden Männer.
Sie durchquerten einen spärlich beleuchteten Gang, der nach wenigen Schritten in einen Quergang mündete. Von diesem gingen mehrere Türen ab. An der letzten Tür wartete Borowski auf sie.
Der fensterlose Raum, in den er sie führte, war ebenso sparsam wie zweckmäßig eingerichtet: Sechs ovalförmige Spieltische, von jeweils acht Stühlen umstanden, an denen die Spieler zu späterer Stunde ihrer Pokerleidenschaft frönten – mehr gab es nicht zu sehen, einmal abgesehen von den unauffällig montierten Kameras, mit deren Hilfe Borowskis Leute das Geschehen in den Spielzimmern und draußen auf den Gängen kontrollierten. Über jedem der sechs Tische war eine Lampe angebracht, deren Schirm das Licht auf die Tischoberfläche warf.
Kaum hatten die Männer ihre Stühle zurechtgerückt, wiederholte Igor seine Frage: »Also, Borowski, weshalb sind wir hier?«
Borowski fasste ihn scharf ins Auge. »Kannst du dir das nicht denken? Die Sache Hauschild ist noch nicht vom Tisch. Jedenfalls nicht für mich.«
»Hauschild ist tot. Schon vergessen?«
»Seine Schulden leben weiter.«
»Na und? Sollen wir ihn etwa wiederbeleben – ist es das, was du willst?«, fragte Igor spöttisch.
Igors Begleiter lachte meckernd auf. Ein Blick von Borowski brachte ihn zum Schweigen.
»Ich will mein Geld zurück«, erklärte Borowski schneidend, »alles andere interessiert mich nicht. Lasst euch was einfallen, wenn ihr weiterhin für mich arbeiten wollt.«
Mit hochrotem Kopf sprang Igor auf und wandte sich zur Tür, gefolgt von seinem Partner.
»Was soll das werden, wenn’s fertig ist?«, fragte Borowski amüsiert.
»Wie sollen wir mit einem reden, der die Realität ignoriert, kannst du mir das mal sagen?«, rief Igor ihm zu. »Womöglich verlangst du noch, dass wir das Testament von Hauschild fälschen, oder was?«
»Wer sagt denn, dass ihr das Geld bei Hauschild holen sollt?«
Überrascht hielt Igor inne. Dann kehrte er an den Tisch zurück. »Wie … ich verstehe nicht … bei wem denn sonst?« Sein Gesicht glich einem einzigen Fragezeichen.
»Ich werd’s euch erklären. Jetzt setzt euch wieder.« Borowski wusste, dass die beiden es sich nicht leisten konnten, mit ihm zu brechen. Seine Spielhöllen sorgten permanent für Nachschub an säumigen Zahlern – und davon lebten sie schließlich, noch dazu nicht schlecht.
Als die beiden schließlich seiner Aufforderung
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