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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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folgten, fuhr er in jovialem Plauderton fort: »Na seht ihr, so redet sich’s doch gleich viel gemütlicher, findet ihr nicht? Also, hört zu: Sagt euch der Name ›Goldmann‹ etwas?«
    »Der Antiquitätenhändler in Überlingen?«
    »Korrekt.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Das werd ich euch sagen …«
    ***
    Wolf ließ sich mit einem Seufzer an seinem Schreibtisch nieder. Er öffnete den Unterschrank und entnahm ihm einen unauffälligen Ordner, dessen Rücken die Aufschrift »Sonderfälle« trug. Eine schlanke, unetikettierte Flasche kam zum Vorschein. Sie war zur Hälfte mit einer hellgelb opalisierenden Flüssigkeit gefüllt. Es handelte sich um Pastis, jenen typisch französischen Anisschnaps, von dem er sich bei jedem Urlaub im Nachbarland ein paar Flaschen mitbrachte. Er goss ein kleines Quantum davon in ein bereitstehendes Glas, gab geschätzte sechs Teile Mineralwasser hinzu und führte das Glas langsam an die Lippen – eine Kulthandlung, die er nicht oft genug zelebrieren konnte.
    Und die sich sogar noch steigern ließ. Indem er eine Gitanes dazu rauchte. Das wäre herrlich entspannend. Er griff nach der Packung.
    Leider blieb der erhoffte Effekt für dieses Mal aus. Schuld daran war Jo, die ohne Vorwarnung plötzlich in der Tür stand – deutlich vor der verabredeten Zeit. In den Händen balancierte sie zwei Tassen Kaffee, die sie auf dem Besprechungstisch absetzte.
    Grimmig steckte Wolf die Gitanes wieder weg. »Hatte ich nicht was von zehn Minuten gesagt?«, brummte er.
    »Hatten Sie, Chef. Aber der Neue, also ich weiß nicht …«
    »Guter Futterverwerter, was?«, lachte Wolf. »Tja, nicht umsonst bekam er den Spitznamen Dicky verpasst.«
    »Dicky?« Nun grinste auch Jo. »Er, äh … also Dicky studiert gerade noch die Berichte. Würde mich aber nicht wundern, wenn er bald mit einem Fragenkatalog bei uns aufkreuzt.«
    »Dann lass uns rasch beginnen, ehe er uns die Suppe versalzt. Und danke für den Kaffee. Wer fängt an?«
    »Sie, Chef.«
    »In Ordnung.« Er nahm einen Schluck Kaffee, bevor er ausführlich schilderte, was er in Hauschilds Wohnung erfahren hatte. Zu guter Letzt legte er den Schuldschein vor sie hin. Während Jo ihn las, bildeten sich senkrechte Falten zwischen ihren Augen.
    »Das ist ja hochinteressant.« Sie hatte das Blatt sinken lassen und dachte kurz nach. »Wenn ich richtig rechne, ist Hauschild drei Tage nach Verstreichen der Frist aus dem Leben geschieden, richtig?«
    »Korrekt.«
    »Gut. Das hieße aber …«, hier schloss sie kurz die Augen, »… das hieße, Sie hätten recht gehabt, Chef. Hauschild hat sich nicht selbst getötet, er wurde umgebracht. Und hier«, aufgeregt schwenkte sie das Blatt hin und her, »haben wir das geradezu klassische Mordmotiv.«
    »Nicht so schnell, liebe Kollegin«, wehrte Wolf ab. »Was ist, wenn Hauschild die Forderung fristgerecht beglichen hat?«
    »Das fragen Sie jetzt nicht im Ernst, Chef, oder? Dann hätte er doch den Schuldschein mitsamt dieser Kopie hier in tausend Fetzen zerrissen. Und zwar stante pede. Oder sehen Sie das anders?«
    Wolf nickte befriedigt. »D’accord. Wollte dich nur testen.« Nachdenklich legte er einen Zeigefinger an die Lippen, ehe er fortfuhr: »Unterstellen wir mal, du hättest recht. Wie passt dann die verschwundene Skulptur ins Bild?«
    »Ganz einfach: Die Täter haben sie spontan mitgehen lassen. Sie wissen doch, Gelegenheit macht Diebe. Sagt schon der Volksmund.«
    »Wäre in der Tat eine Möglichkeit. Hast du bezüglich des Rüsseltiers schon etwas in Erfahrung bringen können?«
    »Und ob.« Minutiös schilderte Jo die zurückliegenden eineinhalb Stunden, beginnend mit Ihrer Konsultation bei Marsberg bis hin zur Horrorfahrt in Goldmanns Untergeschoss. »Die Jade-Sammlung dort ist wirklich beeindruckend«, urteilte sie, »alle Achtung. Ein Stück schöner als das andere. Nur eines war nicht darunter: unser Elefant. Wenn Sie mich fragen, war der Zwischenfall mit dem Aufzug von A bis Z inszeniert. Von wegen Kurzschluss, dass ich nicht lache! Ich gehe jede Wette ein, dass einer der Mitarbeiter das Rüsseltier, wie Sie es nennen, weggeschafft hat, während ich zwischen den Stockwerken feststeckte. Dieser Peschke wusste genau, worauf ich aus war. Ich schlage vor, wir lassen ihn zur Vernehmung herholen – und seinen Angestellten, den jungen Kosch, gleich mit dazu. Der würde als Erster reden, schätze ich. Außerdem sollten wir mal den Fahrstuhl unter die Lupe nehmen. Wenn der Kurzschluss tatsächlich

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