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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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wo er inmitten eines Meeres grüner Skulpturen stand und laut rufend seine Ware anpries: »Jade-Elefanten, schöne Jade-Elefanten, frisch eingetroffen, greifen Sie zu …«
    Obwohl die Nachtschaltung die Bürotemperatur deutlich heruntergefahren hatte, war ihm heiß geworden. Er zwang sich zur Ruhe. Dieser Müller-Dingsbums konnte ihm gestohlen bleiben. Gleich in der Früh würde er die Skulptur an einen sicheren Ort schaffen … ach was, am besten jetzt gleich. Wer weiß, überlegte er, vielleicht sind die Bullen bereits im Anmarsch? Die würden seinen Laden gründlich auseinandernehmen – und wehe, sie fänden den verdammten Elefanten, dann wäre er dran. Also nichts wie los.
    Und was die Sache mit Borowski anging: Die war mit dieser Mail noch dringlicher geworden. Mehr noch, ab sofort hatte sie allerhöchste Priorität.
    Das Loch, aus dem die Infos über den Jade-Elefanten an die Öffentlichkeit gesickert waren, musste ein für alle Mal gestopft werden. Sonst konnte er gleich auswandern.

13
    Am folgenden Morgen erreichte Wolf nach kurzem Fußmarsch die belebte Kreuzung, die gleichzeitig die Mitte des Überlinger Ortsteils Nußdorf markierte. Im Vorübergehen hatte er bei seinem Bäcker den neuen »Seekurier« erstanden. Er wollte wissen, was die Zeitung über ihren Fall berichtete. Im Gehen blätterte er flüchtig die Seiten durch, als unmittelbar neben ihm ein Wagen zum Stehen kam – ein blassroter, in die Jahre gekommener Fiat der Mittelklasse. Wolf faltete seine Zeitung zusammen. Mit spitzen Fingern öffnete er die Wagentür und ließ sich in den Beifahrersitz fallen.
    »Morgen, Leo. Ausgeschlafen?«, röhrte Vespermann, der hinter dem Steuer saß und die Kupplung zurückschnellen ließ, kaum dass Wolf die Tür zugeschlagen hatte.
    Anstelle einer Antwort rümpfte Wolf die Nase. »Grieche?«, presste er hervor.
    »Nein, Italiener«, antwortete Vespermann und tätschelte mit der Rechten liebevoll das Lenkrad. »Genauer gesagt: Fiat. Kommt aus Turin. Du weißt schon, die Trüffelstadt.«
    Wolf atmete hart aus, ehe er fragte: »Hast du mal ein Pfefferminz?«
    »Hab ich. Hier unten rechts müssten welche liegen. Bedien dich ruhig.« Er sah Wolf kurz von der Seite an. »Zähneputzen vergessen, was?«, fragte er unbekümmert.
    »Dein dickes Fell möchte ich haben«, brummte Wolf halblaut, während er unter dem Armaturenbrett herumwühlte. Schließlich förderte er einen Beutel mit Pfefferminzpastillen zutage, den er Vespermann hinhielt. »Du nimmst jetzt so ein Ding, oder ich steig aus«, forderte er. »Nein, nimm gleich zwei … oder besser noch ein halbes Dutzend.«
    »Ach so.« Vespermann war sichtlich amüsiert. »Du spielst auf den zarten Knoblauchduft an, stimmt’s?«
    »Zart nennst du das?«
    »Warum sagst du das nicht gleich? Einen Moment, da kann ich Abhilfe schaffen.« Er fummelte an einem Knopf herum, und kurz darauf setzte ein orkanähnliches Brausen ein, sodass Wolf die Haare nur so um die Ohren flogen. Fast schlagartig sank die Temperatur um ein paar Grad. »Na, was sagst du, das ist doch mal ein Gebläse, das seinen Namen verdient, nicht wahr?« Vespermann sah um Anerkennung heischend zu Wolf hinüber.
    »Halt an.«
    »Anhalten? Aber wieso?« Vespermann schien bestürzt. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, Leo, oder?«
    »Mein voller Ernst. Halt sofort an – oder ich qualm dir den Wagen voll.«
    »Na gut, wenn du mir so kommst. Gib das Zeug schon her.« Unwirsch riss er Wolf den Beutel aus der Hand und schüttete sich einige der Pastillen in die Hand.
    Da der Vorgang den Gebrauch beider Hände erforderte, fuhr der Wagen währenddessen steuerlos dahin. Als der Straßenrand immer näher kam, konnte Wolf nicht mehr an sich halten und griff ins Lenkrad. »Die Polizei, dein Freund und Helfer … immer mit gutem Beispiel voran«, meinte er sarkastisch. Inzwischen bedauerte er, sich für Vespermann als Begleiter entschieden zu haben. Als ihn am Vorabend die Meldung der Wapo erreicht hatte, Sahins Segeljacht würde noch in der Nacht gehoben und zum Konstanzer Hafen geschleppt, da war ihm die Idee durchaus vorteilhaft erschienen. Warum sollte er frühmorgens nach Überlingen strampeln, nur um anschließend via Fähre nach Konstanz zu düsen – über Nußdorf, wohlgemerkt, seinen Heimatort? Auf die Idee, dass Vespermann statt mit einem Dienstwagen mit seiner Privatgurke antanzen würde, wäre er im Leben nicht gekommen.
    Inzwischen hatte Vespermann die Pastillen in seinen Mund bugsiert und wieder das

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