Seerache
Junge, nimm deinen Grips zusammen – was fällt dir zum Thema Glücksspiel ein? Wo würdest du hingehen, wenn dir nach einem Spielchen wäre? Natürlich in eine Spielbank, wohin denn sonst. Also Lindau, Konstanz oder Baden-Baden? Ja. Aber würden die sich bei der Eintreibung ihrer Außenstände der Dienste von »Moskau-Inkasso« bedienen? Wohl kaum. Also schieden sie aus. Was blieb übrig? Die Illegalen. Dazu fielen ihm auf Anhieb zwei Namen ein: Das »Pique-As« in Weingarten, das einem Asiaten gehörte, der, wenn er sich recht erinnerte, Charly Fu oder so ähnlich hieß und der außerdem im benachbarten Ravensburg ein Stundenhotel führte, und als Zweites der »TruckStop« nahe Meersburg direkt an der B31. Der »TruckStop« war bei durchfahrenden Truckern äußerst beliebt und für den Besitzer, Fred Borowski, eine geradezu ideale Tarnung. Peschke hatte, wenn er sich recht erinnerte, das Lokal ein- oder zweimal besucht – die Gasträume wohlverstanden, die zur B31 hin lagen. Noch immer hatte er den abgestandenen Essensgeruch in der Nase, und beim Gedanken an den Lärmpegel schmerzte sein Trommelfell. Von den wirklich scharfen Sachen hatte er leider nichts mitbekommen; die fanden wohl in den rückwärtigen Räumen statt.
Die Frage war: Welcher der beiden hatte ihm die Affen geschickt, Charly Fu oder Fred Borowski? Über die Antwort musste er sich nicht groß den Kopf zerbrechen. Wenn er es richtig bedachte, kam nur Borowski in Frage – aus einem einleuchtenden Grund: Warum sollte ein Überlinger seine Spielsucht in Weingarten befriedigen, wenn er im »TruckStop«, quasi gleich um die Ecke, dasselbe geboten bekam?
Am Ende gab Borowskis Ruf den Ausschlag. Er sollte, was seinen Reibach betraf, sogar über Leichen gehen, hörte man. Also würde er bei Borowski beginnen – gleich morgen Vormittag. Er hatte sogar schon einen Plan, wie er ihn unter Druck setzen und ihm den Namen seines Informanten entlocken könnte. Denn entweder fand er den Maulwurf in den eigenen Reihen – oder er konnte seinen Laden dichtmachen.
Borowski würde sich noch wundern.
Zufrieden mit seiner Entscheidung wollte Peschke seinen Rechner ausschalten, als auf dem Bildschirm ein kleines Fenster aufpoppte. Eine neue E-Mail war eingegangen. Peschke staunte – um diese Zeit? Ohne weiter darüber nachzudenken, öffnete er sein Mailprogramm und las die Nachricht. Kaum fertig, begann er noch einmal von vorn. Schließlich lehnte er sich zurück und schüttelte ungläubig den Kopf.
Sehr geehrter Herr Peschke, stand da, auch wenn wir uns bisher noch nicht persönlich begegnet sind, so bin ich doch in der Vergangenheit schon mehrfach auf Ihren Namen gestoßen – nicht in meiner beruflichen Eigenschaft als Strafverteidiger an deutschen Gerichten, Gott bewahre, sondern als Sammler asiatischer, speziell chinesischer Kunst. Unter anderem ist es mir gelungen, eine durchaus respektable Sammlung chinesischer Jade-Skulpturen aus dem 17. und 18. Jahrhundert zusammenzutragen, was ich aus Gründen, die rein privater Natur sind, aus dem öffentlich zelebrierten Kunstmarkt bislang heraushalten konnte.
Nun habe ich von einem gut unterrichteten Mittelsmann erfahren, dass Sie derzeit im Besitz eines ausgesuchten Exponates sein sollen – eines Jade-Elefanten, der sich gleichermaßen durch seine außergewöhnliche Schönheit wie durch seine ungewöhnliche Größe auszeichnet.
Der langen Rede kurzer Sinn: Wenn meine Information zutrifft und Sie für das Stück einen solventen Käufer suchen, dann bitte ich Sie höflich um rasche telefonische Kontaktaufnahme. Allerdings wäre mir an einer äußerst vertraulichen Abwicklung gelegen. Daher möchte ich Sie bitten, mich ausschließlich über die untenstehende Mobilfunknummer anzurufen. Während der Arbeitszeit werden Sie zunächst mit meinem Vorzimmer verbunden. Meine Sekretärin ist jedoch angewiesen, Anrufe über diese Nummer sofort an mich durchzustellen, gleichgültig, wo ich mich gerade aufhalte.
Es wäre schön, wenn ich möglichst bald mit Ihrem Anruf rechnen dürfte.
Mit den allerbesten Empfehlungen
Dr. Müller-Hohenstein, Ravensburg
PS : Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Über den Preis werden wir uns garantiert einig, da haben Sie mein Wort.
Peschke war wie vom Schlag gerührt. Je länger er las, desto blasser wurde er. Ja, spielte denn plötzlich die ganze Welt verrückt? Wie hatte dieser Mensch von dem Ankauf erfahren? Einen kurzen Moment lang kam er sich vor wie auf einem Jahrmarkt,
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