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Seeraeuber vor Sylt

Titel: Seeraeuber vor Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Franz
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bleiben.
    »Alles in Ordnung, Ouwe?«, fragte der Kapitän. Es klang wie eine Drohung. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er wieder zum Steuermann hinüber.
    Jaike sah ihm nach. Die beiden standen jetzt direkt unter dem Mast, in dessen Takelage Broder herumturnte. Der Kapitän sprach mit dem Steuermann und sie hätte gerne gewusst, worüber. Ob Broder die beiden verstehen konnte? Sicher war er doch genauso neugierig wie sie selbst …
    Natürlich war er das. Als Broder mitbekam, dass der Kapitän und sein langer rothaariger Steuermann mit ernster Miene miteinander redeten, kletterte er ein Stück den Mast hinunter. Gerade so weit, dass die Männer den Jungen über ihren Köpfen nicht bemerkten. Er nahm sich ein Stück Tau und drehte esauseinander. So sah es zumindest von Weitem aus, als arbeitete er.
    »Wenn der Alte nicht kommt, haben wir nichts, rein gar nichts von der ganzen verdammten Aktion«, hörte er den Steuermann fluchen.
    »Ja«, sagte der Kapitän. »Wir sind betrogen worden. Dafür, dass wir den Grafen und sein Söhnchen über die Klinge springen lassen, sollten wir das Gold und die Edelsteine kriegen, die der Graf an Bord hatte. Aber da war kein Gold! Nichts als ein paar Fässer mit stinkendem Fisch! Wir hätten uns gar nicht erst auf diesen Auftrag einlassen sollen.«
    Der Steuermann lachte ein raues Lachen. »Wie gut, dass wir die beiden am Leben gelassen haben. So kriegen wir vielleicht doch noch unseren Lohn.« Sein Blick ging hinaus auf die See. »Wenn er denn zurückkommt, der Graf von Holstein.«
    Eine Weile schwiegen beide Männer. Dann ergriff der Steuermann wieder das Wort. »Es ist verdammt schwer, Kurs zu halten in diesen Gewässern. Ständig weht Westwind und treibt uns auf die Küste zu. Und bei diesen vielen Sandbänken hier muss man höllisch aufpassen. Vielleicht haben wir den Punkt verpasst, wo wir das Schiff des Grafen treffen wollten. Ich glaube, wir sind zu weit südöstlich gelandet.«

    Der Kapitän schlug seinem Steuermann auf die Schulter. »Wenn hier jemand seinen Weg findet, dann bist du das, Olaf. Niemand kennt die Küste so gut wie du. Du weißt doch von jedem Quadratmeter Meeresboden, wie tief er ist und wie er aussieht.«
    Der Steuermann sah sich um. »Also dann, an die Arbeit. Wo ist denn der Junge? Er soll mir helfen, den Boden auszuloten.«
    Broder erschrak. Hoffentlich bemerkten die beiden nicht, dass er ihr Gespräch belauscht hatte. Leise kletterte er den Mast ein Stückchen höher. Im selben Moment hatte ihn der Steuermann auch schon entdeckt. »Hey du, Landratte, komm runter. Es gibt was zu tun«, rief er.
    Als Broder neben ihm stand, zeigte ihm der Steuermann, wie er das Lot mit Wachs versehen und dann ins Wasser versenken musste. Broder lernte die Handgriffe schnell. Aber er begriff nicht, wie der Steuermann daran, wie tief das Lot sank, wissen konnte, wo er sich befand.
    »Ich fahre ja nicht das erste Mal hier längs«, erklärte ihm Olaf und es klang Stolz in seiner Stimme mit. »Und ich bin auch nicht der Erste, der diese Gegend durchkreuzt. Schon die Wikinger haben sich weitererzählt, wo hier die Untiefen sind. Unddieses Wissen gibt jeder Steuermann weiter, wenn er ein ehrenwerter Mann ist.«
    Broder versuchte, keine Miene zu verziehen. Ein ehrenwerter Mann, hatte Olaf gesagt. Und dabei war er doch Pirat. Aber die Seeräuber hatten wohl ihre eigene Ehre.
    »Und was soll das Wachs unten am Lot?«
    »Damit holen wir ein bisschen was vom Meeresboden hoch. Wenn feiner, rötlicher Sand dranklebt, dann sind wir richtig.« Olaf musterte den Himmel. »Wenn wir Glück haben, ist es heute Nacht sternenklar. Dann kann ich unsere Position genau bestimmen. Du kannst dabei sein, wenn du willst.«
    Jetzt nahm Broder seinen ganzen Mut zusammen. »Warum bringst du mir all diese Dinge bei?«, fragte er.
    Der Steuermann sah ihm fest in die Augen. »Warum ich das tue?« Für einen Moment zögerte er. Dann sprach er weiter. »Weil ich dich beobachtet habe und weil ich sehe, dass du ein mutiger und kräftiger Junge bist. Einer, der das Meer und den Wind liebt.« Er wandte den Blick nicht von Broder ab. Als er weitersprach, setzte er jedes Wort bedächtig hinter das andere. »Weil ich glaube, dass du ein tüchtiger Pirat werden könntest. Ein Likedeeler. Einer von uns.«
    Broders Herz schlug schneller. Die Worte des Steuermanns erschreckten ihn und machten ihn gleichzeitig stolz. Er, Broder Gonnson aus Rantum – er sollte ein Likedeeler werden, ein richtiger Pirat? Was wohl Jaike

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