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Seeraeuber vor Sylt

Titel: Seeraeuber vor Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Franz
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Gerhards leisesSeufzen und er tat ihr einfach nur leid wie jeder andere Mensch, der in Not war.
    »Seit mehr als drei Wochen warten wir hier südlich der Inseln nun auf ein Schiff meines Vaters. Aber er kommt nicht!«, klagte er. »Vielleicht ist das Beiboot gekentert und er hat das Land nie erreicht.«
    Jaike dachte nach. Vor drei, vier Wochen, da war die See ruhig gewesen. Eine ungewöhnlich lange Zeit hatte es mildes Herbstwetter gegeben, bis dann vor zwei Tagen der Sturm einsetzte.
    »Sie müssten es bis zum Festland geschafft haben«, sagte Jaike. »Aber dein Vater braucht doch Zeit, um das Gold und ein neues Schiff zu besorgen. Er kommt bestimmt bald. Mach dir keine Sorgen«, versuchte sie, Gerhard zu beruhigen. Sie tastete im Dunkeln nach seiner Hand. Wie schrecklich musste es sein, so ganz alleine hier unten. Sie war noch nie in ihrem Leben alleine gewesen. Immer waren da ihre Mutter, ihre Verwandten, die anderen Leute aus dem Dorf gewesen. Und Broder.
    »Ich geh jetzt zurück«, sagte sie und stand auf. Dann hielt sie noch mal inne. »Hast du genug zu essen?«
    »Ja, das hab ich«, erklang Gerhards Stimme. »Sie behandeln mich wirklich nicht schlecht. Ich darfauch immer wieder mal an Deck, um ein paar Schritte zu gehen.«
    »Halte durch«, flüsterte Jaike. »Du siehst deinen Vater bestimmt bald wieder.«
    Dann schlich sie zurück zu ihrem Schlafplatz. Dem jungen Grafen würde sicher geholfen werden. Aber was würde aus ihr und Broder werden? Ob die Piraten sie gehen lassen würden, wenn das Schiff des Grafen sie mitnähme? Und würde so ein großer Herr überhaupt zwei mittellose Kinder an Bord nehmen? Vielleicht hatte ja der Graf vom Amtmann aus Tondern gehört, dass die Leute aus Rantum alle Strandräuber und Taugenichtse waren?
    Die Gedanken kreisten immer noch in Jaikes Kopf wie ein Mühlrad, als sie schon längst wieder zwischen den schlafenden Seemännern lag.

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    List und Tücke
    Am nächsten Morgen gab es viel zu tun. Broder wurde vom Steuermann wieder hinauf in die Takelage geschickt, um sich den zerschlissenen Segeln und gerissenen Tauen zu widmen.
    »Es geht so langsam voran mit dem Ausbessern«, sagte er zu Jaike, als sie gemeinsam an Deck gingen. »Warum hat Rasmus nicht die Seeleute des gekaperten Schiffes an Bord genommen, damit die für ihn arbeiten? Ich meine die, die den Angriff überlebt haben.«
    Jaike runzelte die Stirn. »Er hat wohl befürchtet, dass er mit seinen paar Piraten die fremden Seemänner nicht in Schach halten kann. Da hat er sie lieber dem Grafen mitgegeben. Der wird ja das Beiboot nicht eigenhändig gerudert haben.« Sie dachte an die schmalen, kraftlosen Hände des jungen Grafen.
    Dann lief sie zu Ouwe hinüber, der schon in der Tür des Achterkastells lehnte, sein Arm immer noch in der Schlinge eines schmutzigen Tuchs. Wie grau er im Gesicht war! Die Haut über seinem struppigenBart hatte die Farbe von hellem Schiefer und seine Augen glühten fiebrig. Ihr Blick wanderte zu dem Kapitän, der neben dem Steuermann an dem langen, blank polierten Steuerhebel stand. War ihm noch nicht aufgefallen, dass sein Koch hohes Fieber hatte?
    »Setz dich hin, Ouwe.« Jaike schob den Alten ins Kastell hinein, wo sich der Koch ächzend auf dem Boden niederließ.
    »Du musst viel Wasser trinken.« Sie füllte einen Becher mit dem Frischwasser, das die Rosenboom geladen hatte, und reichte ihn Ouwe. Dann begann sie, das Frühstück für die Seeleute zu machen, die schon seit Stunden an der Arbeit waren.
    »Wir brauchen neue Vorräte«, sagte Ouwe mit matter Stimme. »Wenn wir nicht bald …«
    Jaike unterbrach ihn. »Schnell, steh auf! Der Kapitän kommt.« Sie wollte dem Alten auf die Beine helfen. Doch er schaffte es nicht hoch und blieb auf den Knien am Boden hocken. Geistesgegenwärtig leerte Jaike einen Topf mit getrockneten Bohnen vor ihm aus. Ouwe begriff. Als der Kapitän in der Tür stand, beugte sich der Koch über die Decksplanken und las die Bohnen auf. Sein Gesicht war für den Kapitän nicht zu sehen.
    »Was kriechst du da rum, Ouwe?«, fragte er. »Lass das doch das Mädchen tun.«
    »Die macht die Drecksarbeit«, antwortete Ouwe. Er deutete mit dem Kinn Richtung Jaike, die mit einem Holzschaber den Kochtopf sauber kratzte.
    Der Kapitän sagte nichts. Ein paar Sekunden lang beobachtete er stumm die Szene. Jaike hätte gerne aufgeschaut, um den berühmten Rasmus Rohlfs näher zu betrachten, aber sie traute sich nicht. Lieber so unauffällig wie möglich

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