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Seeraeuber vor Sylt

Titel: Seeraeuber vor Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Franz
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    Geheime Pläne
    Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Broder ein Geheimnis vor Jaike. Er erzählte ihr zwar von dem rätselhaften Auftraggeber, der die Piraten zu dem Überfall auf das Grafenschiff angestiftet haben sollte. Aber dass der Steuermann ihn für das Piratenleben gewinnen wollte, verschwieg er ihr.
    Wenn er in der Takelage herumkletterte oder hoch oben im Krähennest stand, um auszugucken, dann jubelte er innerlich. Ein Leben auf See! Voller Abenteuer und Gefahren! Das war doch etwas anderes als Torfstechen und Salzsieden oder die harte Arbeit eines Fischers.
    Aber wenn er nachts neben Jaike lag, kamen ihm Bedenken. Konnte er Pirat sein und trotzdem Jaikes Freund bleiben?
    Die größten Zweifel aber hatte er, wenn er mit ihr zusammen unten bei dem armen Gerhard hockte. Denn auch das gehörte zum Piratenleben: rauben, töten, Geiseln nehmen – auch wenn sie erst dreizehn Jahre alt waren und schreckliche Angst hatten.
    Die Nacht vor dem vierten Tag war gekommen. Der letzte Tag, den Rasmus noch auf das Schiff des Grafen warten wollte. Wie jede Nacht schlichen sich Broder und Jaike zu Gerhard, um ihm Trost zu spenden. Der Junge war völlig mutlos.
    »Vater lebt nicht mehr«, sagte er leise. »Er würde mich nie im Leben im Stich lassen. Bestimmt ist er ertrunken.«
    »Der Kapitän hat davon gesprochen, dass er den Auftrag hatte, deinen Vater und dich zu töten«, sagte Broder, obwohl ihm die Worte schwerfielen.
    Gerhard zuckte zusammen. »Aber dann bin ich doch verloren!«
    Broder schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Rasmus verfolgt seinen eigenen Plan.« Er räusperte sich. »Die Sonne geht bald auf. Ich steige hinauf in den Ausguck. Vielleicht entdecke ich ja etwas.«
    Und schon schlich er sich davon, ohne auf Jaike zu warten. Er wollte etwas tun. Etwas, was dem verzweifelten Jungen half.
    »Von der Elbmündung her muss ein Schiff auftauchen. Du wirst es gut erkennen können. Es trägt eine hellgrüne Fahne«, hatte ihm Olaf, der Steuermann, eingeschärft.
    So saß Broder nun beim ersten Morgengrauen imKrähennest und starrte auf das Wasser, als könne er den Grafen herbeigucken. Auch als Jaike die Männer zum Frühstück rief, kam er nicht herunter. Wenn nun das Grafenschiff vorbeisegelte und niemand es bemerkte, weil alle mit ihren gesalzenen Heringen beschäftigt waren?
    Es war fast so, als wollte Broder sich jetzt schon durch seine Anstrengung von der Schuld reinwaschen, die er später einmal als Likedeeler auf sich laden würde.
    Doch es half nichts. Der Tag verging, der Abend kam, die Sonne ging unter. Sie hatten ein paar Handelsschiffe am Horizont gesehen, die im flauen Wind kaum vorankamen. Aber auf keinem hatte die Fahne des Grafen geweht. Er war wieder nicht gekommen.
    Mit schwerem Herzen schrubbte Jaike die vom Abendessen schmutzigen Töpfe. Ob Rasmus in dieser Nacht Gerhard wirklich über Bord werfen würde?
    »Kopf hoch, Mädchen«, sagte Ouwe, als sie ihm einen frischen Verband um seine verkrustete Wunde machte. »Vielleicht ändert Rasmus seinen Plan und wartet noch etwas länger.«
    »Wartet er auch auf einen neuen Kaperbrief?«, fragte Jaike in der Hoffnung, etwas über den geheimnisvollen Auftraggeber zu erfahren.
    Ouwe hob verwundert die Augenbrauen. »Ein Kaperbrief? Wie kommst du denn darauf?« An Jaikes Gesichtsausdruck erkannte er, dass sie gar nicht recht wusste, was so ein Brief eigentlich war.
    In diesem Moment kam Broder angerannt. »Eine gute Nachricht«, rief er atemlos. »Ich habe gerade gehört, dass der Kapitän doch noch ein paar Tage warten will!«
    Jaike seufzte erleichtert.
    Aber Ouwe schüttelte den Kopf. »Er wartet, weil im Moment eh kein Wind weht. Der alte Graf kommt nicht mehr. Der Junge hat nur ein paar Tage Aufschub bekommen. Das ist alles. Und jetzt seht zu, dass ihr eine Mütze voll Schlaf kriegt. Das Schicksal anderer Menschen kann man sowieso nicht ändern.«
    In dieser Nacht gingen Jaike und Broder nicht hinunter in den stickigen Laderaum. Der Kapitän hatte ihnen erlaubt, an Deck zu schlafen.
    Sterne sah man keine. Eine graue, undurchdringliche Wolkenmasse bedeckte den Himmel. Die Kinder lagen unter ihren Fellen und lauschten auf das Plätschern der Wellen. Broder gab sich einen Ruck.
    »Jaike«, sagte er. »Ich könnte hierbleiben. Ich könnte von Olaf alles über die Seefahrt lernen. Sie würden mich in die Mannschaft aufnehmen.«
    Jaike richtete sich auf und sah Broder in die Augen. »Du meinst, als Pirat?«
    Broder nickte.

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