Seeraeuber vor Sylt
nicht. Und dieser Mann da, der sah noch viel hochmütiger aus als der Landvogt.
Aber Broder und Jaike brauchten keine Angst zu haben, dass der Herr von Oldenburg, wie Gerhards Onkel sich nannte, ihnen zu nahe kam. Er beachtete sie überhaupt nicht, sondern steuerte schnurstracks auf Gerhard zu.
»Mein lieber Neffe«, näselte er. »Was für ein Wunder, dass du diesen schrecklichen Überfall überlebt hast! Der Bote hat mir schon alles berichtet.«
»Habt Ihr etwas von meinem Vater gehört?«, fragte Gerhard bang.
Sein Onkel machte ein trauriges Gesicht. »Ach, dein armer Vater wird mit dem Boot gekentert sein. Wir haben nie wieder etwas von ihm gehört.« Er legte dem Jungen den Arm um die Schulter. »Und nun lass uns gehen.«
Doch er hatte die Rechnung ohne den Strandvogtund den Landvogt gemacht, die beide gekommen waren, um den vornehmen Besuch in Empfang zu nehmen.
»Hochverehrter Herr von Oldenburg«, katzbuckelte der Strandvogt. »Was für eine Ehre, Euch hier begrüßen zu dürfen. Mein Haus liegt nur wenige Meter entfernt und meine Gemahlin hat den Tisch bereits gedeckt …«
Unwirsch wollte sich Gerhards Onkel von den beiden Vögten verabschieden. Doch da Gerhard bereits zum Haus des Strandvogts vorausgelaufen war, blieb ihm nicht viel anderes übrig, als mitzugehen.
»Nun denn, auf ein kleines Mittagsmahl …«, murmelte er mit säuerlicher Miene.
Broder und Jaike sahen den Herrschaften hinterher, die über die sandige Dorfstraße von Rantum trippelten.
»Na, das ist ja wirklich ein Geck«, kicherte Jaike. »Komm, wir schauen uns mal den Ewer an.«
Sie liefen zu dem Schiff hinüber, auf dem jetzt nur noch der Steuermann und ein Matrose verblieben waren. Der Matrose sprang zu ihnen an Land, um sich ein wenig die Zeit zu vertreiben. Er stammte selbst von der Insel Sylt und war neugierig, was der hohe Herr in Rantum wollte.
Natürlich waren die Kinder begierig, ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Selbst der Steuermann spitzte die Ohren, als er von dem Piratenabenteuer hörte.
»Hört mal«, sagte er. »Wie kommt ihr darauf, dass das Boot, mit dem der Graf losgerudert ist, gekentert sein muss?«
»Weil weder er noch die Seeleute jemals irgendwo angekommen sind«, antwortete Broder.
»Vielleicht sind sie in den Mahlstrom von Ekke Nekkepenns Frau geraten«, meinte der Matrose.
»So ein Tünkram.« Broder grinste.
Der Steuermann schüttelte den Kopf. »Das Boot ist doch gar nicht gekentert«, sagte er. »Ich hab doch selbst einige der Matrosen gesprochen, die mit dem Grafen an Land gerudert sind. Die haben schon längst wieder woanders angeheuert.«
»Was?« Jaike und Broder sahen ihn erstaunt an. »Und der Graf?«
Jetzt zuckte der Steuermann die Schultern. »Von dem weiß ich nichts.«
Jaike zog Broder beiseite. »Da stimmt doch was nicht«, flüsterte sie. »Das müssen wir Gerhard erzählen!« Und schon rannten sie die Dorfstraße hoch, um zum Haus des Strandvogts zu gelangen.
Natürlich trauten sich die Kinder nicht, an der Tür des Vogts zu klopfen. Aber von der Gartenmauer aus konnten sie durch die niedrigen Fenster erkennen, wo die Gesellschaft sich aufhielt. Gerhard saß zum Glück mit dem Gesicht zum Fenster. Immer, wenn er in ihre Richtung schaute, versuchten sie, ihm ein Zeichen zu geben. Und schließlich schien er sie bemerkt zu haben. Wenig später kam er zum Tor hinaus. Noch ehe er eine Frage loswerden konnte, erzählten sie ihm, was sie erfahren hatten.
Gerhards Augen leuchteten. »Dann lebt mein Vater vielleicht doch noch! Das muss ich meinem Onkel erzählen!«
Er wollte wieder zum Haus zurück, doch plötzlich hielt er inne. »Irgendetwas ist da faul«, sagte er. »Ich glaube, mein Onkel weiß mehr, als er zugibt.« Mutlos ließ er den Kopf hängen. »Ich will nicht mit ihm fahren«, seufzte er. »Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl.«
Jaike strich ihm über den Arm. Sie traute sich kaum, den schönen teuren Stoff seines neuen Umhangs zu berühren. »Wir sollten dem Strandvogt erzählen, was wir gehört haben«, schlug sie vor.
Jetzt lachte Broder. »Was soll das für einen Sinn haben? Wir wissen doch gar nichts Genaues.«
Gerhard verschränkte die Arme über der Brust. »Ich gehe nicht wieder in die Stube«, sagte er.
»Dann lass uns noch mal mit dem Steuermann sprechen. Vielleicht kann er uns noch irgendetwas sagen, was uns weiterhilft.« Jaike versuchte, so zuversichtlich wie möglich zu wirken.
So machten sie sich also auf den Weg in den Hafen. Doch als sie an
Weitere Kostenlose Bücher